Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 29. Januar 1941

Berg.-Gladbach, 29.1.41.

Mein lieber Rudolf!

Nun bekomme ich aber doch Unruhe, da ich immer noch nichts höre + sehe. Keine Post, und von Dir selber sehe ich auch nichts. Was ist los? Bist Du krank, oder hat Dir die Kälte so zugesetzt, daß Du nicht schreiben kannst? Oder seid Ihr fort aus Eurem Quartier? Ich weiß nicht, was ich denken soll, und den ganzen Tag dachte ich an Dich und erwartete Dich. Hoffentlich kommt bald irgend eine Nachricht, oder, Du kommst selbst! Du kannst doch verstehen, daß ich mir Sorge mache? Dieses Warten ist alles andere, als schön. Natürlich weiß ich, daß Du daran nichts ändern kannst. Ich vertröste mich nun auf morgen, gebe Gott, daß dann irgend eine Nachricht kommt! Am schlimmsten wäre es ja, wenn Du krank wärest. Mein Junge, ich will besonders im Gebet an Dich denken, ich tue es ja jeden Tag. Hier geht alles seinen alten Gang. Viel Neues gibt es nicht. Gott sei Dank, daß die Engländer

uns in letzter Zeit ziemlich in Ruhe gelassen haben, und hoffentlich tun sie das auch in den Tagen, die Du, so hoffe ich, bald bei mir sein wirst! Also hier ist alles beim Alten; nur ziemlich kalt ist es. Nun ist am Sonntag der Weihnachtsfestkreis zu Ende. Zu schade, daß Du in dieser Zeit nicht in Urlaub warst. Allerdings das ist schön, daß die Tage schon ordentlich gelängt haben. Bis 7 Uhr abends ist es hell und des Morgens merkt man auch schon gut das frühere Lichtwerden. Gott sei Dank ist dieser dunkle Winter, vor dem man sich direkt gefürchtet hat, soweit vorbei, insofern, was das Licht betrifft. Gott hat uns hindurchgeführt, besser, als man es zu hoffen gewagt hat! Und hoffentlich war es der letzte Kriegswinter. Wann mag nun das letzte, größte Ringen beginnen? Es wird noch ein schwerer Kampf werden. Aber, mit Gottes Hilfe werden wir ihn bestehen, wir müssen ihn bestehen. Und nun, mein Junge wünsche ich Dir alles Gute, was ich ja stets tue und sende Dir herzlichste Grüße und einen festen Kuß
in Liebe
Deine Mutter.