Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. Dezember 1939

Maria-Empfängnis, 1939

Mein lieber Junge!

Vorgestern schon kam Dein lieber Brief vom 28.11. hier an. Ich beeile mich, Dir zu antworten. Gestern hatte ich Wäsche, da hatte ich keine Zeit! Heute, an dem schönen Feiertag nehme ich sie mir. Es ist ganz wunderbares Wetter, klar + kalt + Sonnenschein. Hoffentlich hält es etwas an. Man lebt förmlich auf dabei. Ich freue mich sehr, zu hören, daß Du wohlauf bist. Ja Du hast recht, ich bin immer in Sorge um Dich. Das sind wohl alle Mütter. Na, wenn Du gut aussiehst, und wenn Dir das Essen schmeckt, und Du ein ordentliches Nachtlager hast, dann bin ich zufrieden. Ich möchte Dich doch auch recht gesund wiederhaben. Wann das wohl sein wird? Die letzten Tage kommen wieder Truppen Deiner Gattung hier durch! Vielleicht, daß Ihr doch vor Weihnachten auch noch da fort kommt. Ich meine immer, Du kämst zum Weihnachtsfest! Wir wollen mal hoffen. Im Laufe der nächsten Woche fange ich an, Deine Päckchen zum Fest zu schicken. Du teilst mir dann mit, ob Du alle bekommen hast! Bis zum 15.XII. müssen alle Pakete abgeschickt sein. Ich bin mal gespannt, wer noch an Dich denkt! Wenn die P. von der Batterie nicht festgehalten werden, dann packe sie bitte vor Weihnachten doch nicht aus; damit Du auch Weihnachten

Nun Rudolf will ich schließen. Ich wünsche Dir von ganzem Herzen alles alles Gute. Ich denke im Gebet an Dich! Sei nun vielmals gegrüßt + herzlich geküsst von
Deiner Dichl. Mutter.

etwas hast. Ihr habt doch auch sicher Bescherung? Und einen Tannenbaum macht Ihr Euch doch sicher auch? Wenn ich allein sein sollte, weiß ich noch nicht, wie ich es mache. Wenn ich morgens aus der Christmette kommen, und komme ins leere Haus, das ist mir hart! So niemanden hier. Hanni wird dann doch auch zu Hause schlafen! Das sind dann keine fröhlichen Weihnachten. Gebe Gott, daß es „Gesegnete“ werden. Ich soll einmal von mir schreiben? Ja, viel ist da nicht zu schreiben. Bei mir ist ein Tag wie der andere. Ich bin allein und nähe. Abends ist es mir immer am schwersten. Dann möchte ich Dich manchmal herzwingen. Wenn ich die Bahnen höre und denke dann, wie Du nach Hause kamst! Und jetzt sitze ich schon 3 Monate allein, hier unten in der wenig schönen Wohnung! Dienstag von 3-6 kommt Fr. Planz regelmäßig, auch kein erheiternder Besuch, + Freitagsabend kommt Agnes Bühner, manchmal auch noch mal an einem andern Abend! Sonst kommt niemand! Oma hat immer keine Zeit, und T. Finchen hat jetzt O. G. da. Ich bin sehr einsam, und etwas verbittert. Ich suche auch nicht gerne Gesellschaft auf. Ich war seit 11 Tagen nicht bei der Oma. Heinrich hat auch keine Zeit, er bekommt die Wohnung gemacht! Wärest Du nur erst wieder da. So ist das kein Leben. Deine Briefe allein sind meine Freude. Alle kommen nicht gerne zu mir, erstens immer Arbeit und dann liegt es auch wohl etwas an mir selbst. Ich habe aber ja auch keine Zeit! Ich habe es nicht so gut wie die andern Frauen, die sich ihr Geld holen können. Ich bin nun einmal ein Pechvogel! Habe ich nun genug

von mir geschrieben. Es ist nicht viel Frohes dabei. Hoffentlich hast Du es einmal besser. Heute ist das schöne Fest, denkst Du auch einmal daran. Und an N-D. Wo alle Kameraden jetzt sein mögen?