Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 20. November 1939

Westfront, den 20.XI.39

Mein liebes, gutes Mütterlein!

Am Sonntag, also am 19.XI., erhielt ich Dein Päckchen. Für Deine lieben Zeilen und die feinen Leckereien danke ich Dir. Du weißt ja, daß ich ein altes Leckermaul bin. Es hat mir wundervoll geschmeckt. Nun die liebe alte Sorge und Frage: „Wie geht es Dir, liebes Mütterlein?“ Ist Deine Erkältung nun wirklich fort? Kuriere sie ordentlich aus, sei bitte nicht zu unvorsichtig und gehe nicht zu leicht drüber hin! Hilft Dir denn der Honig?

Was gibt es denn sonst Neues? Schreibe mir einmal bitte etwas von der Einquartierung. Soll ich auch mal bei Dir Quartier beziehen? Das wäre fein, was?

Hier munkelt man, wir kämen zurück in Ruhestellung nach Brühl. Ob es stimmt? Jedenfalls wäre es schön! Deine Vermutung, wir wären och am alten Platz, stimmt nicht. Aus dem Urlaub zurückgekehrt, war die Truppe umgezogen. Ich bin dann einen Tag lang hinterhergezogen. Wir sind vom Regen in die Traufe gekommen. Wie ich Dir schon schrieb, habe ich noch nie soviel Dreck gesehen. Wir verkommen ganz. Augenblicklich bauen wir Baracken! Jeden Tag müssen wir fahren und dann der Eifel-Dauerregen. Gestern Sonntag war Sturm. Wir sind bald fortgeweht worden. Aber trotz Allem, der Kopf sitzt noch immer oben.

Ich halte den Nacken steif und überdies schützt mich mein dickes Fell. Über die Kameradschaft kann ich nicht klagen, die ist in bester Ordnung, wenn auch manchmal der und jener den Eifelkoller bekommt. Du kannst also ganz ruhig und ohne Sorge sein, mir geht’s noch immer gut. Unkraut vergeht nicht!

Morgen werde ich Herrn Bartz schreiben, dann kommen die Lieben auch aus Ihrer Sorge um uns.

Berta hat mir wieder Zeitungen geschickt. Ich werde ihr in Kürze auch noch einmal schreiben.

Du fragst mich, ob meine Geschenke Freude bereitet hätten. Und ob, nur schade, daß wir nicht mehr in unseren alten Quartieren sind. Jetzt liegen wir wie die Heringe zusammen. Das ganze Dorf besteht aus nur vier Bauernhöfen.

Ich finde es merkwürdig, daß die Regierung bzw. Herr. Dr. Weber das Resultat und die Papiere noch nicht geschickt hat. Ich bin gespannt, wie lange das noch dauert.

Über Thema Entlassung schrieb ich Dir ja schon, vorläufig ist noch kein Denken daran. Es wäre doch schön, wenn Frieden wäre, und ich könnte studieren und fleißig vertreten. Na, hoffentlich wird’s bald so! Wir wollen den Mut nicht sinken lassen, der Herrgott weist uns den rechten Weg.

Also, liebes Mütterlein, nochmals vielen Dank für Deine Zeilen und Dein Päckchen. Und noch eins, schicke mir doch bitte ein Bild von Dir, vielleicht läßt Du Dich einmal photographieren.

Ja, das wäre alles. Ich weiß nichts mehr!

Herzliche Grüße
und einen festen Kuß
schenkt Dir in Treue
Dein Junge.