Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 25. Oktober 1940

Berg.-Gladbach, 25. Okt. 1940.

Mein lieber Rudolf!

Nun muß ich mich zuerst bedanken für Deinen lieben Brief vom 15.X., den ich erst gestern erhielt! Schönen Dank dafür und auch für die schönen Karten, die mir ein rechtes Bild übermitteln von Deiner jetzigen Heimat! Schön ist es dort, ich habe die Karten zu den andern gelegt! Es ist mir eine Freude, zu hören, daß Du gesund bist. Hoffentlich setzt Euch der nordische Winter nicht allzu sehr zu. Habt Ihr besonders warme Wäsche bekommen? Sei ein bischen vorsichtig + setze Deine Gesundheit nicht allzu sehr aufs Spiel, damit Du später, wenn Du zu Hause bist, nicht allerlei Beschweren hast! Ich glaube ja auch, daß der Winter dort oben schön wird. Allerdings wird es auch sehr einsam sein, denn soviel Dienst könnt Ihr dann dort nicht machen. Und so lange dunkel wird es wohl auch bleiben? Na, vielleicht haben wir doch noch einen Lichtblick vor Weihnachten. Heute wurde ja gesagt, daß zum ersten Mal die Italiener mit nach England flogen + dort bombardierten. Das kann doch in dem Maße nicht den ganzen Winter über weiter gehen. Und aufhören können wir doch auch nicht, dann würden die Engländer doch wieder allerlei aufbauen + vorbereiten. Na, wir wollen es dem Führer überlassen und seinen Mitarbeitern. Sie werden schon wissen, wie es gemacht werden muß! –

Auch mir geht es noch gut. Jetzt, wo wir des Abends in Gl. sind, bin ich doch ruhiger, auch schlafe ich hier viel besser + tiefer. Die Luft ist hier besser als in Dellbrück! Auch die Nerven kommen ein bischen zur Ruhe. Ich mache mir ja etwas Vorwürfe, daß ich nun des Abends nicht nähe. Aber so viel Arbeit haben wir ja nicht, und ich habe allerlei zu flicken, was ja auch sein muß. Auch das Schreiben besorge ich des Abends, damit ich tagsüber feste nähen kann. Des Morgens sind wir um 7-7 ¼ Uhr schon in Dellbrück. Und wenn des Abends schon früh Alarm ist, könnte ich ja doch nicht mehr arbeiten. 2 Nächte haben wir mal wieder durchgeschlafen, das spürt man gleich! Hoffentlich geht es diese Nacht nochmal gut! Wenn das mal aufhört, ich glaube, man wird ein anderer Mensch! Also Du siehst, tapfer bin ich nicht! Aber, ich bin es nicht allein, die ängstlich ist. Hier die Eltern von Josef, die alten Fischer’s, sind garnicht ängstlich, die stehen nicht auf. Es sind sonst liebe Leute, erinnern mich sehr an Bartz. Hast Du den Brief von Frau Bartz gelesen? Maria hat sich zuerst in Sicherheit gebracht! Hier ist es schon empfindlich kalt, richtige Schneeluft, sagen die alten Leute. Es soll ja ein früher Winter werden. Wie Gott will, wir müssen alles annehmen! – Nun Rudolf wünsche ich Dir alles Gute, Gesundheit + Zufriedenheit + frohen Mut! Ich sende Dir die allerherzlichsten Grüße + einen treuen Kuß, Mutter.

Liebe Gerd!

Herzlichen Dank für Deine lieben Grüße auch von Deiner Mama. Auch mir hier geht es gut! Ich wünsche Dir alles Gute + sende Dir und Deiner Mutter viele Grüße.
Anna Schmitz