Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 9. Februar 1940

Freitag, den 9. Febr. 1940.

Mein lieber, guter Junge!

Nun habe ich gleich 2 liebe Briefe von Dir bekommen, und zwar vom 2.II. + 4.II. Ich habe mich sehr gefreut, ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Ich hatte mir aber schon gedacht, daß so etwas war. Nun lernst Du diese Gegend unseres Vaterlandes auch mal kennen. Auch Deine Bilder bekam ich. Ich muß ja sagen, daß es mich ja nun nicht allzu sehr erfreut, meinen Jungen so oft mit dem Glas oder gar der Flasche in der Hand zu sehen! Rudolf, ich gönne es Dir, aber denke auch etwas weiter, erstens an Deine Gesundheit und an die, die nach Dir kommen. Man gewöhnt sich zu leicht an so etwas, tu mir das bitte nicht an. Du brauchst nicht zu sparen. Wenn Du jetzt in der Nähe einer Stadt bist und die Möglichkeit hast, mal ins Kino oder gar ins Theater zu gehen, so tue das. Du brauchst mir kein Geld zu schicken, aber gib auch nicht alles für Alkohol aus. Ich mache mir Sorge deshalb. Ich möchte keinen Trinker nach Hause bekommen. Nun ist das ja ein bischen drastisch ausgedrückt, aber, ich mache mir wirklich Sorge darum! Also, denk‘ mal daran. –

Daß Ihr dort unter dieser Kälte zu leiden habt, kann ich mir wohl denken. Habt Ihr auch Kopfschützer, sei bitte vorsichtig, so viel Du kannst, damit Du nicht allzu viel mit nach Hause bringst! Habt Ihr warme

Betten? – Gestern hat T. Stina Dir ein Päckchen geschickt. Ich warte noch ein paar Tage, dann bekommst Du von mir auch noch eins. Ist Dein Gesuch nun abgelehnt, und mit welcher Begründung? Ja, auch darein müssen wir uns fügen. Es ist wieder eine Prüfungszeit für uns! Ich freue mich, daß Du wieder Post von M. bekommst.

Wie ich Dir schon schrieb, ist Herr Schmidtke schon 14 Tage fort, jetzt habe ich wieder einen Ostpreußen, ein großes Kind. 20 Jahre ist der Junge alt, 4 Monate Soldat, hat sich freiwillig heraus gemeldet. Er erzählt so viel. Er ist der richtige Ostpreuße, verträumt, liebt seine Heimat sehr und seine Eltern. Na, ich werde Dir erzählen. Gestern Abend haben wir zusammen gesungen, Fahrtenlieder, er ist ein alter Wandervogel. Er sitzt immer zu Hause. Zum Kino hat er keine Lust, und nach Köln bekommen sie noch keinen Urlaub! Ich habe es noch mal gut getroffen. Hoffentlich gehen sie nicht zu schnell wieder weg. Man muß sich immer umstellen. Es ist viel Unterschied zwischen den Soldaten. Der aus Essen war sehr unruhig, ein richtiger Draufgänger. Wie gefallen Dir dort die Leute. Jetzt kommt Ihr wohl wenig mit ihnen in Verbindung? In der Familie gibt es nichts Neues. Hanni ist zur Schule angemeldet! Bin mal gespannt, wie sie sich schickt?

Nächste Woche kaufe ich für H. Schmidtke ein Bild, und schicke es an seine Eltern, dann hat er ein Andenken an seine Zeit hier in Dellbrück! – Nun mein Junge bleibe gesund und froh! Bald schreibe ich wieder. Ich grüße + küsse Dich recht herzlich und bin + bleibe Deine
treue Mutter.