Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 26. Mai 1935
Bergheim, den 26.V.35.
Liebe Mutter!
Sonntag! Warmes, aber schwüles Wetter! Heute haben wir endlich mal Ruhe! Eine schwere Woche haben wir hinter uns. Unsere Märsche zu den Baustellen werden immer länger. 25 km jeden Tag. Gestern miserables Revierreinigen! Ich mußte 6 Fahrräder putzen, 6 Reiserbesen binden und Holz sortieren. Ich hätte diese Woche doch eine Nachricht von Dir erwartet. Du hattest aber sicher keine Zeit. Hast Du noch viel Arbeit?
Denkst Du auch noch an vorigen Sonntag? An unser Beisammensein. Mein Einhauen[?]. Eigentlich muß ich mich schämen. Ich freue mich schon aufs nächste mal. Sonntag komme ich wahrscheinlich. Wie Pfingsten der Urlaub sich gestaltet weiß ich noch nicht. Meine Losung heißt auf jeden Fall „Heimat“! Zu Haus, bei Dir ist es immer am schönsten. Da hab ich auch Sauberkeit, gutes Essen und Pflege.
Vor allen Dingen aber etwas Innerliches, beschauliche Ruhe, künstlerischer Genuß, ausgezeichnetes Verstehen. Daheim hab ich alles, mehr wie ich brauche. Trotzdem ich das alles hier vermisse, schicke ich mich gut. Jetzt habe ich mich so recht eingelebt.
Wir haben wieder einen neuen Feldmeister bekommen. Am ersten Abend hat er zu uns gesprochen. Sehr fein. Einer, der einsieht daß außer Kameradschaft, Gehorsam, Disziplin, Sauberkeit auch noch Charakter, Takt, Freundschaft und Verstehen zum Leben in einer Gemeinschaft notwendig ist. Er will uns Vater sein. Mit allem will er uns beistehen. Er will versuchen sich uns auch innerlich beistehen.
Anderes Neue:
Stubenkamerad Flocke ist am Blinddarm operiert worden. Er liegt im Hospital.
Schulkamerad Matthäei hat im letzten Urlaub einen Autounfall gehabt. Er hat eine Gehirnerschütterung davongetragen.
Wehrpflicht. Alle von Jahrgang 14 und 15 sind schon gemeldet. Wir werden wohl sofort eingezogen. Was sagt denn Heinrich und Johanna?
Von der Reichswehr habe ich noch keine Nachricht. Andere Kameraden, die länger da bleiben wollten, müßten sich für 2 oder 12 Jahre verpflichten, wenn sie Gefreiter oder U. Offiziere werden würden.
Ich hatte ja nicht die Absicht länger als ein Jahr dabei zu bleiben.
Ich war gerade in der Kirche! Heute nachmittag gehe ich ins Kino! Früh in die Falle!
Innerlich, d. h. seelisch fühle ich mich selten ruhig. Jegliche Unruhe geht mir ab. Nervosität gibt es nicht. Ich kann selten gut beten. Beten für Dich mein Bestes, für Vater und alle anderen Lieben.
Beten für das Mädchen meiner Sehnsucht.
Wie geht es in der Gemarkenstraße? Ist der kleine Bruder sitzen geblieben? Die kleine Amazone geht auf die höhere Schule. In Mülheim oder Köln? Wie geht es bei Bartz? Haben die ihren Frieden wieder? Wann ziehen Schlössers um? Läßt Du die Wohnung machen? Bekommst Du zu Pfingsten einen Mantel? All diese Fragen interessieren mich auf’s höchste, auch wenn ich nich bei Dir bin. Jetzt haben wir schon 2 Monate um. Die Zeit vergeht doch sehr schnell.
Ich glaube es geht los. Ich will schließen.
Mit Ruhe kann man hier ja garnicht schreiben.
Einen schönen Sonntagsgruß und einen
ehrfürchtigen und lieben Kuss
Dein Junge.
Schreibe mir doch bitte bald.
Ich bin gespannt ob Du Wort hältst.
Alles Gute.
Gerade habe ich Deinen Brief erhalten. Ich wollte schon den Umschlag zukleben. Meine besten Dank
für Deine lieben Grüße. Jetzt habe ich einen schönen Sonntag. Eine rechte Freude bereitet einem ein solcher Brief. Für Deine Bemühungen besten Dank. Fußlappen kannst Du mir schicken. Ich kann sie gut gebrauchen.
Viele Grüße an alle besonders aber an Dich und Gem. Straße ooooo.