Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 2. September 1935

Köln-Dellbrück, 2. Sept. 35.

Mein lieber Rudolf!

Nun bin ich wieder von Kevelaer zurück. Ich hatte noch gehofft, Dich doch zu Hause anzutreffen. Es war mir leider nicht mehr möglich, Dir vorher zu schreiben. Wie das immer so ist, ich bekam vorher noch ordentlich Arbeit (Muster). Heute habe ich nichts bekommen! Im großen + ganzen ist die Arbeit noch knapp. Der Betrieb verschlingt zu viel.

In Kevelaer, bei der Mutter Gottes war es sehr schön. Auch solch eine Wallfahrt ist erhebend. Die vielen, vielen Pilger, das ist ein Beten + Singen durch das ganze Städtchen unaufhörlich. Ich glaube, dort sind nur gute Menschen, sie hören ja tagein, tagaus nur Mariendienst. Es ist ein ganz schönes Städtchen.

Es war mir doch ganz eigen zu Mute, als ich in der Gnadenkappelle stand und daran dachte, wie ich dort das letzte Mal gewesen war. Vor ca. 25 Jahren. Was ist in der Zeit alles gekommen? Krieg + Not, und für mich persönlich so vieles, Liebe + Schöne, Sorge + Leid! Das Liebste, was mir war + ist, bist Du, mein Kind. Daß ich für Dich auch ganz besonders gebetet habe, kannst Du Dir denken! Du + Vater, Ihr Beiden steht meinem Herzen am nächsten! – Ich freue mich nun, Dich bald einige Woche hier zu haben. Es tat mir leid, Dich Sonntag nicht begrüßen zu können. Hanni + Joh. + Oma kamen uns abholen, und O. Georg! Mir fehlte der Nächste! Wirst Du nun Sonntag kommen. Wie ist es mit Nürnberg? Und wann werdet Ihr entlassen. Weißt Du schon etwas? – Am 20. Sept. soll ich in der alten Post bei Odenthal zur Feier der silbernen Hochzeit kochen. Soll ich annehmen? –

Fortsetzung am 3. Sept.
Auch heute habe ich keine Arbeit bekommen! Es ist gar nichts zu tun! Hoffentlich kommen bald wieder Aufträge!

Da verliert man auch den Mut! Aber, der liebe Gott wird schon helfen. – In Kevelaer muß auch ein Arbeitslager sein, 211. Es waren viele dort in der Stadt am Sonntag! –

Wie geht es Dir nun? Warst Du Sonntag schwimmen? Von der [..] aus sah ich die Türme + Schornsteine von Fortuna. Ich habe einen Gruß hinübergesandt! – Ich bin etwas nervös. Papa hat auch noch kein Geld geschickt. Das bringt mich immer ein bischen aus der Ruhe! Ich muß mal gut beten! Tust Du das auch noch mein Kind? Ich freue mich auf Sonntag, noch mehr auf das Ende des Monats. Nun muß ich mal pausen! –

4. Sept. Auch heute keine Arbeit. Was wird das? Frl. Maus ist ganz unglücklich. Wir auch! Zuviel ist nichts, aber garnichts, das geht auch nicht! Auf Vaters Geld warte ich auch noch. Na, der liebe Gott wird schon einen Weg wissen.

In Dellbrück ist sonst nichts Neues! Nun will ich schließen, sonst hast Du den Brief am Sonntag noch

nicht! Also Liebchen, wenn Du Urlaub hast, dann komme am Sonntag. Ich muß Dich nochmal hier haben. Dann kann ich Dir noch mal alles erzählen. Dann ist es mir wieder leichter ums Herz. Also bis Sonntag. Ich freue mich!

Viele viele liebe Grüße und einen treuen Kuß
Mutter.

Alle lassen grüßen. Frl. Marga ist wieder hier. Sie erzählt nicht viel.
Nochmals Gruß
Mutter

Hanni ist hier! Wie Du siehst!
Hanni oooo