Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 14. September 1939
Köln-Dellbrück, 14.9.39.
Mein lieber, bester Junge!
Freitag, früh, 15.9. Guten Morgen, mein Junge. Gestern abend war es zu spät geworden. Nun soll es heute mit das Erste sein, Dir einen treuen Muttergruß zu senden. Heute ist Fest der „sieben Schmerzen Maria“. Ich war schon in der Kirche, wie jeden Morgen, seitdem Du fort bist. Heute ist den ganzen Tag Betstunde vor dem Allerheiligsten. Daß ich und mit mir so viele Mütter + Frauen da ganz besonders für Euch beten, ist selbstverständlich. Ihr seid ja nicht nur leiblichen, sondern auch seelischen Gefahren ausgesetzt. Damit euch der liebe Gott vor allen diesen Gefahren bewahrt, darum rufen wir die Gottesmutter an, sie möge Euch alle unter ihren Schutzmantel nehmen. Also „Gott befohlen“, mein Kind! Wie geht es Dir? Höre ich bald wieder etwas? Allgemein kommt wenig Post, da tröstet man sich wieder. Mit dem Brief schicke ich Dir ein wenig. Größere Päckchen sind noch nicht frei! Nun bist Du schon 3 Wochen fort, wie viele es noch werden, weiß nur Gott allein.
Ich habe gestern wieder Arbeit bekommen. 2 Tage war nichts da. Wir sind jetzt nur noch wenige Näherinnen. Viele viele sind entlassen. Solange es noch etwas zu tun gibt, bleiben die alleinstehenden noch da. Was dann weiter wird, muß man sehen. Ich könnte auch jetzt nicht so arbeiten wie sonst. Man hat zu viel Unruhe. Gebe Gott, daß alles nicht zu lange währt! Ich will in den nächsten Tagen mal
selbst zu Herrn Kirste gehen. Mal hören was er sagt. Tante Stina läßt Dir sagen, daß sie viel an Dich denkt und für Dich betet! Hanni ist krank, hat Mandelgeschichte, gestern war der Arzt (Dr. Küppers) da. Johanna liegt mit eitriger Mandelentzündung, auch Liesel ist krank. Hanni ist hier bei mir. Sie ist so vernünftig. Immer tröstet sie mich! Das Wetter ist ja ganz trostlos. Liegt ihr auch trocken? Ja der Herbst ist da. Montag beginnen die Schulen endlich wieder. Nun denke ich, daß ich von Dir bald Nachricht bekomme. Das ist mir jetzt das Wichtigste. Karl-Heinz Perger ist auch im Westen, auch Herr Jansen. Also dann bis Sonntag, dann schreibe ich wieder.
Viele liebe Grüße auch vom allen Andern. Dich küsst herzlich
Deine Mutter.