Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 16. September 1939
Hölzchen, den 16.IX.39
Mein liebes Mütterlein!
Gestern am 15.IX. erhielt ich Deine lieben Briefe. Gleich drei Stück und dazu einen von Heinrich. Für die lieben Zeilen, für diesen schönen Heimatgruß, vielen, vielen Dank. Du kannst Dir ja denken wie wir auf eine Nachricht von Hause warteten. Hier, wo die Welt mit Brettern zugenagelt ist, (hier gibt es keine Wasserleitung, keine Zeitung, kein Radio, kein elektrisches Licht) liefen die tollsten Gerüchte. Jetzt bin ich doch einigermaßen beruhigt. Jetzt weiß ich doch, daß daheim noch Ruhe ist.
Gewiß etwas Angst und Nervosität wird sich in der Großstadt breitmachen, aber nur ruhig Blut, es wird schon klappen. Ich bin nun einmal Optimist. Ich glaube, daß wir, alle von der Westfront, bald wieder froh und heil zu Hause sind. Der Führer wird schon den richtigen Weg wählen. Unüberlegt und
verantwortungslos wird er uns nicht in den Krieg führen. Nur jammerschade, daß in Polen schon soviel Blut fließen mußte. Also Mutter, was soll ich Dir noch viel erzählen, wir hoffen alle auf baldige Heimkehr. Hier in der Hocheifel, nahe an der luxemburgischen Grenze, zwischen Bunkern und Stacheldraht, wird es allmählich kalt und dunkel. Die letzten Tage hat es in Strömen geregnet. Das geht bis auf die Haut. Wir müssen uns sehr gegen Erkältung schützen. Ich hatte bis jetzt nur Zahnschmerzen. Ich denke Montag gehe ich nach Waxweiler zum Dentisten.
Die Batterie steht in Feuerstellung. Wir haben mit den Pferden festes Quartier bezogen. Ich schlafe jetzt sogar im Bett, natürlich auf dem Strohsack. Die Verpflegung läßt nun zu wünschen übrig. Wir müssen uns schon dauernd kaufen. Na, wir haben ja Geld. Ich bekomme 1,40 Rm pro Tag.
Die Bauern sind unverschämt.
Ein Frühstück 1,- Rm. Mittagessen 1,- bis 1,50 Rm. Die haben richtige Hotelpreise. Du siehst also, trotz allem, wir verhungern nicht. Wir halten unsern Kölner Humor hoch. Bestimmt wir lachen viel.
Also liebes Mütterlein, mal keine Unruhe und Sorge, uns geht es soweit noch gut.
Komme ich mal erst nach Haus, dann geht es auch wieder weiter.
Wenn die Universitäten geschlossen haben, komme ich ja mit dem Studium auch nicht zu spät.
Ich bin gespannt, was die mit dem Notexamen machen. Morgen werde ich Herrn Kirste und Just. Hartmann schreiben.
Ich bin froh, daß Hanni bei Dir schläft,
dann bist Du doch nicht so allein. Sie ist sicher wieder vernünftiger geworden.
Heinrich hat aber Glück gehabt. Er hat mir einen feinen Brief geschrieben. Aber so Trost bedürftig wie er glaubt, bin ich nun doch nicht.
Mein liebes Mütterlein, ich weiß Du betest für mich und ich bete täglich für Dich. Der liebe Gott wird unser Gebet hören. Er wird uns recht führen.
Ich wünsche ich könnte morgen schon mit Dir zur Kirche gehen. Aber es wird schon wieder einmal möglich sein.
Ich bin ja gar nicht soweit von Onkel Georg weg. 2 Stationen hinter Gerolstein sind wir ausgeladen worden. Wir sind durch Mülheim gekommen, in Vingst bei Kirstes vorbei über die Südbrücke.
Um hierher zu kommen muß man in Gerolstein umsteigen, auf die Strecke nach Sankt Vit, über Prüm nach Arzfeld. Dann sind es noch 30 Min. zu Fuß bis Hölzchen.
Das habe ich nun nicht geschrieben, um Besuch zu erhalten, sogern ich das hätte, nur zur Orientierung. Hier ist nämlich alles so pickepacke voll, ich glaube man könnte keinen mehr in einer Scheune unterbringen.
Ich muß jetzt Schluß machen. Es ist nämlich dunkel geworden.
Also liebes Mütterlein, bleibe gesund und gräme Dich nicht. Bald komme ich wieder zu Dir. Ehrlich gesagt, als ich wegging hatte ich nicht gedacht, daß es solange dauern würde. Also liebes Mütterlein
ich wünsche Dir
alles alles Gute
vor allem bleibe fein gesund.
Grüße bitte alle Lieben, bei der Oma, bei Tante Stina, Frau Jansen usw.