Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Oktober 1939
Sonntag, den 1.X.39
Mein liebes Mütterlein!
Es ist gleich 18.00 Uhr. Bis jetzt habe ich gearbeitet. Meine Erika ist krank, eine Knieverletzung. Der Eiter fließt wie ein Wasserhahn. Ich denke, daß ich meinen Kameraden bald wieder gesund habe. Ich mache augenblicklich den ganzen Kram. Schriftliche Arbeit, Reitlehrer, ich leite Fahrübungen, Fußdienst, Appelle usw.
Liebes Mütterlein ich habe viel Arbeit aber guten Mut.
Die kommende Woche wird wohl die Entscheidung bringen. Vielleicht bin ich dann bald Bei Dir.
Wie geht es Dir, liebes Mütterlein?
Ich hoffe, daß Du gesundn bist und keine trübe Stimmung aufkommen läßt. Fräulein Marga ist jetzt sicher bei Dir! Was macht Hanni? Bestelle dem kleinen Fräulein einen dicken Gruß. Tante Stina schickte mir ein Päckchen! Zeitung und eine Tafel Schokolade. Ich schreibe Ihr gleich. Was gibt es denn sonst Neues?
Hast Du etwas vom Vorexamen gehört? Hat Herr Kirste mein Taschengeld nochmal geschickt?
Wie geht es denn mit der Lebensmittelknappheit?
Bekommt Ihr auch satt zu essen. Ich glaube ich bin dünner geworden.
Was macht denn die Oma?
Onkel Georg hat mir aus Bad Ems eine Karte geschickt.
Kannst Du mir einmal seine Anschrift geben. Ich möchte ihm
für den lieben Gruß danken.
Grüße mir alle Lieben.
In der ganzen Familie wird alles seinen gewohnten Gang gehen.
Die Frauen sind ja alle stark und arbeitsfrohe Menschen.
Heinrich ist noch zu Hause? Sind seine Liebe wieder auf den Beinen?
Heute ist schon der 6. Sonntag, den ich von Hause weg bin. Einen Sonntag kenne ich hier nicht. Aber Mut habe ich dennoch!
Da, gerade bringt man mir einen Brief von Dir, mein Liebes! Du machst aber Sachen! Junge, Junge, wenn ich nicht zu Hause bin. Nur Kopf hoch Mütterlein, Der Arzt wird Dir schon richtig helfen. Keine Bange, so schnell sterben wir nicht. Bald sehen wir uns doch
wieder. Du schreibst mir ja einen traurigen Brief. Könnte ich Dich doch jetzt pflegen. Wie gerne möchte ich das. Bete Du nur fleißig, ich tue es auch und bitte den lieben Gott, Dich lange noch gesund zu halten und daß ich Dir einen sorgenfreien und schönen Lebensabend bereiten kann.
Kopf hoch, Mütterlein, Du hast sonst mich doch immer aufgerüttelt, jetzt muß ich es tuen.
Liebe Mutter, der Herrgott hilft! Für Deutschland steht die Sache doch nur günstig, so oder so, dem Engländer geht’s an den Kragen!
Du schreibst da von anschaffen, sorge Du jetzt nur, daß Du etwas in die Rippen bekommst, anschaffen können wir hinterher immer noch, und mit solcher Freude, was? Ich freue mich auf den Bummel mit Dir durch Köln.
Liebe Mutter sei doch nicht traurig. Tausende, Millionen haben das gleiche Schicksal. Wäre ich in Polen
gewesen, vielleicht wäre ich jetzt schon nicht mehr.
Für das nackte Leben, wollen wir Gott schon danken.
Das soll uns Geschenk genug sein.
Sind wir erst wieder zusammen, dann packen wir wieder an, und werden unser Ziel erreichen.
Viele, viele Grüße
und einen Kuß.
Ich bete für Deine Gesundheit.
Dein Junge.
Ist übrigens das Kleiderpaket schon da?
Hoffentlich verdirbt der Anzug im Koffer nicht zu sehr?