Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 12. November 1939

Köln-Dellbrück, 12.11.39.

Mein lieber Junge!

Endlich erhielt ich heute die erste Nachricht von Dir nach dem Urlaub und zwar Deinen lieben Brief vom 8.11. Er sagt mir, daß Du gesund + wohlauf bist! Das ist mal die Hauptsache. Bleibe weiter gesund + froh! Es scheint also, daß Du noch an der alten Stelle bist! Hast Du denn mal eingereicht zum Studium? Versuchen kannst Du es doch einmal! Ich kann mir denken, daß Dich die Briefe von Deinen Berufskameraden + Kameradinnen erfreut haben. Sie werden sich wundern, wenn sie hören, daß auch Du Dein Examen hinter Dir hast! Herr Kurtz schickte heute auch einen Glückwunsch + bat um Deine Adresse. –

Ja, mein Junge, es wird mir wohl nichts Anderes übrig bleiben, als mich in das Alleinsein zu fügen, gern oder ungern, darnach wird nicht gefragt! Onkel Georg ist auch wieder zu Hause. Nur Mutter ist allein und sie wird es noch oft sein müssen. Für mich ist das Leben nun so. Morgen werde ich noch mal ein Päckchen fertig machen. Mal sehen, was ich habe. Auch an ein Birnchen werde ich denken. Gestern Abend, (Samstag), meinte ich bestimmt, Du wärest gekommen; es war mir so. Hier sind noch sehr viele Soldaten. Jeden Morgen wird auf dem Schulhof exerziert.

Ganz interessant. Heute früh war Besichtigung. Vorige Woche war ein General hier, Parade auf dem Marktplatz! Die Mädels sind ganz verrückt! Ich bin mal wieder erkältet, Halsgeschichten!

Nun will ich schließen, ich will noch nähen. Heute Nachmittag will ich zu T. Stina, sie hat einen Soldaten da, der erzählt von Polen. Heute in der Kirche habe ich an Dich gedacht! Bleibe wohlauf + sei recht herzlich gegrüßt + geküßt von
Deiner
Dichliebenden Mutter!