Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 8. Dezember 1939
Freitag, den 8. XII.1939
Mein liebes Mütterlein!
Nun geht es bereits in die sechszehnte Woche! Ein drittel Jahr ist bald vorüber. Wenn man rückschauend diese Frist betrachtet ist man erstaunt, daß wir schon solange getrennt sind. Mir gehen die Tage hier viel zu schnell um. Woher es kommt? Die gute, liebe Arbeit hält mich auf Trab! Es ist auch gut so, dann komme ich auch nicht auf dumme Gedanken. Ja, wie geht es dann mit Dir? Nimmt Dich die Arbeit auch so gefangen? Über Mangel an dieser lieben Einrichtung hast Du ja niemals zu klagen gehabt! So ist das Leben! Ich bin jedenfalls froh, wenn ich gesund bin und arbeiten kann. Hoffentlich kann ich Dir bald meine Arbeit widmen, daß Du einmal bald zur Ruhe kommst. Beten will ich, daß der Herrgott mir diese Gnade schenkt.
Heute ist Maria Empfängnis! Die Bauern haben Feiertag – wir Nachtübung! Wie fein feierten wir Neudeutschen diesen Tag. Auch Du hast ihn oft miterlebt! Denkst Du noch an meine Ritterweihe in Sankt Georg? Das ist nun schon so manches Jahr her! Wir zwei Beiden werden alt und grau!
Nun zur Hauptsache! Für Deine lieben Briefe und Grüße, für die feinen, leckeren Nikolauspakete danke ich Dir recht herzlich. Daß es mir sehr gut geschmeckt hat, brauche ich Dir wohl kaum zu schreiben.
Tante Stina schickte mir auch ein Päckchen. Auch darüber habe ich mich sehr gefreut! Ihr könnt Euch ja gar nicht vorstellen, wie man sich über einen Gruß aus der Heimat freut.
Was haben denn Hanni und Liesel für Augen gemacht, am Nikolausmorgen? Sicher sind sie wieder reich beschenkt worden!
Heute fahren von uns viele Urlauber ab, 14 Tage Urlaub haben sie bekommen. Vielleicht bin ich auch bald an der Reihe. Mein Urlaub soll doch als Sonderurlaub gerechnet werden. Fein, was? Wir wollen uns schon darauf freuen! Wie geht’s Dir? Ich hoffe und wünsche, daß es Dir gut geht. Hast Du das Geld bekommen? Dafür sollst Du Dir etwas recht Schönes kaufen, ja?
Weihnachten ist nah, - wir haben uns einen Adventskranz gemacht und am Sonntag haben wir bei einem Lichtlein gesessen und gesungen. Wohin unsere Gedanken gegangen sind? Nach Hause! Zu Dir, mein liebes Mütterlein!
Margret Freerichs hat mir wieder geschrieben. Sie gratuliert mir zum Examen und plaudert von Semester, Trimester, von Analysen, die sie noch machen muß. Sie stellt fest, daß sie bis jetzt gebummelt hat und jetzt mit Volldampf arbeiten muß. Sie meint, ich sollte froh sein, daß ich Medizin studiere und mit dem Kram nichts zu tuen habe. Ja, wenn doch die med. Fakultät der Kölner Uni aufgemacht würde, dann würde ich wohl entlassen werden. Denn außerhalb Kölns zu studieren ist für mich gar nicht zweckmäßig.
Mein Heeresbericht – „Im Westen nichts Neues“. Noch immer ist das Wetter kalt und trübe und naß.
Mir geht es noch immer gut. Kamerad Molitor wird Dir das ja bestätigt haben. Hat er Dir viel erzählt. Wenn der nämlich anfängt hört der nicht mehr so schnell auf! Er ist Anstreicher von Beruf, wohnt in Kalk usw. Das wird Dich wohl kaum interessieren. Also bei mir ist noch alles in Ordnung!
Wenn die Papiere kommen teilst Du es mir ja sofort mit. Denkst Du auch einmal an den Nachweis der arischen Abstammung? Vielleicht hast Du doch einmal Zeit nach Paffrath zu gehen.
Der Kamerad aus dem Mühlenhof erzählte mir, daß sich das Fräulein Müller aus der Strundenerstraße das Leben genommen habe. Weißt Du, die kleine Blonde, die sich immer so sonderbar kleidete.
Gibt es sonst nichts Neues?
Bald schreibe ich wieder. Bis dahin alles Gute.
Es grüßt Dich herzlich
Dein großer Junge.