Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 16. Dezember 1939

Samstag-Abend, 20.30 Uhr.

Mein bester Junge!

Nun bin ich fertig, habe alles sauber, Hanni ist schlafen. Es ist die Zeit, da Du gewöhnlich nach Hause kamst! Ich sitze allein und ich habe Sehnsucht nach Dir. Mein Kind, wann werden wir wieder zusammen sein? Daß der liebe Gott doch gäbe, daß es bald sein möchte! Es ist oft so schwer zu ertragen. Aber alles Grübeln hilft nichts, macht es nur noch schlimmer. Man muß tapfer sein. Wie ist es bei Dir? Bist Du gesund? Das schöne Wetter war nicht von langer Dauer! Heute war wieder ein nasser, dunkler Tag! – Mein Kind Du hattest also das Geld, die 20 Mk. für mich bestimmt? Ich danke Dir vielmals dafür. Jetzt vor Weihnachten kann ich es gebrauchen. Ich werde für Hanni + Liesel je ein Püppchen kaufen, für Jüppchen eine schöne Mundharmonika, für Willi ein Buch, für Oma ein paar gefütterte Lederhandschuhe, für O. Arn. ein Schnäpschen, für Tante Stina 6 Tassen mit Untert. + Dessertteller. Berta auch noch eine Kleinigkeit! Morgen werde ich noch etwas backen + Dir dann Deine Päckchen schicken. Da es nichts Rechtes gibt zu kaufen, bekommst Du alles selbstgebackenes. Ich hoffe, daß es Dir schmeckt! Es ist mit sehr viel Liebe gebacken, mein Junge! Du weißt ja, alle meine Liebe gilt Dir! Du bist mein Lebenszweck! Bleibe mir nur gesund! Ach könnte ich Dich jetzt einmal herzen + drücken, hätte ich Dich hier, um Dich zu

bedienen und es Dir gemütlich zu machen! – Vor mir auf dem Tisch steht noch das Alpenveilchen, daß ich Dir zum Examen schenkte! Übrigens sind die Papiere immer noch nicht da! Denkst Du auch bitte mal an die Steuerbescheinigung? Tante Mel hat durch Berni Deine Adresse holen lassen. Frau Jansen hat 14 Tage nichts von ihrem Mann gehört. Er war zuletzt in Westpreußen. In den letzten Tagen sind wieder viele eingezogen worden. Bei uns geht es mit der Arbeit auch ein bischen langsamer. Ein großes Weihnachtsgeschäft merkt man nicht. Auch in Köln ist es nicht so schlimm! Ich habe heute zu Lenders Deine Hemden gebracht zum Ausbessern. Dein Anzug ist in der Reinigung sehr schön geworden. Deinen dünnen Mantel bringe ich auch noch fort! Damit alles für Dich bereit ist! „Gelt, mein Jung!“ Heute schicke ich Dir auch die B. Illustrierte. Bekommst Du sie auch? – Wurst zum Schicken habe ich leider nicht bekommen! Nun möchte ich Dir wünschen, daß Du morgen einen schönen Sonntag hättest!

Was machst Du des Sonntags? Hoffentlich bekomme ich morgen einen lieben Gruß von Dir! –

Für heute mache ich Schluß! Empfange viele liebe Grüße + einen herzlichen Kuß
von
Deiner sich nach Dir sehnenden
Mutter.