Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 17. Dezember 1939

Köln-Dellbrück, 17. Dez. 1939.

Mein lieber, lieber Rudolf!

Zuerst möchte ich Dir noch einen frohen und herzlichen Weihnachtsgruß senden! Also ein „gesegnetes“ und „fröhliches“ Weihnachtsfest wünsche ich Dir von ganzem Herzen. Wenn Du auch in der Ferne bist und wenn sehr ernste Zeiten sind, so wollen wir an diesem Feste doch fröhlich sein. Wir wollen uns ja des großen Wunders, des „Heilandes“ freuen! In ihm sind wir und zu ihm wollen wir. Und gerade diese Zeit sie soll uns über das rein Irdische mit seinen Gütern + Geschenken hinausblicken lassen zu dem, der doch über Allem steht mit seiner Macht + Güte. Und dieser Güte wollen wir uns empfehlen. Diese Güte möge uns schenken ein Wiedersehn in Gesundheit und Freude. Fast glaube ich, daß es sein wird, bald sein wird! Aus Deinen letzten Briefen lese ich auch die Hoffnung darauf! Inzwischen wirst Du bei D. Chef gewesen sein. Was meint der? Hast Du den Antrag schon weitergegeben. Bedurfte es denn eines Antrages. Karl-Heinz Pergers Hauptmann ist zu den Leuten gekommen und hat ihnen gesagt, daß sie zum med. Studium beurlaubt würden. Zur Universität habe ich noch nicht geschrieben. Es ist doch keine Ausnahme für eine Fakultät gemacht, der ganze Lehrbetrieb wird wieder aufgenommen. Die Gebühren, ich glaube, es sind 35 Rmk., müssen wir ja doch zahlen,

und den Termin erfahre ich noch. Wenn es sein sollte, daß Du beurlaubt würdest, müßte es so bald wie möglich sein. Du weißt ja, am 8.1.1940 beginnt das Trimester.

Zum nächsten, also so um Ostern, hofft Karl-Heinz schon dabei zu sein. Sobald ich Näheres erfahre, bekommst Du Nachricht. Leider dauert es ja allerhand Zeit, bist Du die Post bekommst! Inzwischen hoffe ich, daß Du nun Glück hast! Hoffentlich bist Du jetzt bei der strengen Kälte gesund? Auch hier weht ein scharfer Wind! Ost! Mir geht es gut. Nun habe ich ja wieder Mut! – Gestern bekam ich wieder Einquartierung, einen Feldwebel, ich glaube aktiv, Infanterie. Er stammt aus dem Osten, hat Polen mitgemacht, ist Träger des eisernen Kreuzes. Näheres weiß ich noch nicht! Ich habe ihm das Schlafzimmer gegeben. Ich schlafe mit Hanni im Zimmer vorn, das ist praktischer! Zu Weihnachten mache ich ein kleines Bäumchen im Nähzimmer. Die Hauptfiguren der Krippe hole ich mir herunter. Hier im Zimmerchen kann ich heizen, vorne ist es zu kalt. Unten ist es doch kälter als oben. Und wo Du nicht da bist, habe ich auch keine Lust, viel zu machen.

Inzwischen hoffe ich, daß die Päckchen von mir angekommen sind. War noch alles in Ordnung? Hoffentlich schmeckt Dir alles, es ist alles selbstgebacken, nichts gekauft! Mach Dir die Tage so schön, wie Du nur kannst. Ihr habt dann doch wohl keinen Dienst? Kerzen + Lametta für Euer Bäumchen hast Du wohl auch gefunden? Das Buch ist für einige stille Stunden. Dein Hauptgeschenk ist hoffentlich der Ring. Ich habe meine Brosche geopfert, es ist aber noch zu wenig Gold, 1-1 ½ gr. muß ich noch haben. Vielleicht kann

Herr Stock der Goldschmiedemeister noch etwas dazu tun. Diese Woche muß ich noch mal hin, dann sagt er mir Bescheid! Vor Weihnachten bekomme ich ihn nicht mehr. Na, das wäre ja gleich! Sollte es wider Erwarten nichts werden wegen des fehlenden Goldes, dann bekommst Du eine schöne Uhr, dann später den Ring. Außerdem habe ich Dir die beiden Bildchen einrahmen lassen, die Radierung (Beethoven-Haus + die Paradiesvögel. Beide sind sehr schön geworden und hängen in Deinem Zimmer. Das wäre dann mit den Päckchen mein Geschenk! Bist Du zufrieden? Was ich für die Kinder und die andern habe, schrieb ich Dir ja schon. Wie ich mir die drei Feiertage einrichte, weiß ich noch nicht! Mal sehen, jetzt wo ich ja auch Einquartierung habe. Jedenfalls werden meine Gedanken bei Dir sein, bes. des Morgens, während der Christmette + gleich nachher! Ob Du auch mal zur Kirche kommst an den Tagen? Ich dächte mir das schön dort in der verschneiten Eifel so ½-1 Stunde zur Kirche zu pilgern. Also mein Kind nochmals ein schönes Fest! Ihr habt doch auch sicher eine Feier + Bescherung! Feiere froh + zufrieden. Ich tue dasselbe.

Bald hätte ich vergessen, am Mittwoch kamen Deine Papiere von der Regierung an. Das ist aber auch in Ordnung. Prüfung mit „gut“ bestanden! Nun Rudolf schließe ich mit den allerbesten Wünschen + Grüßen und einem innigen Weihnachtskuß
Deine
Dichliebende Mutter!

Herzlichen Weihnachtsgruß von Hanni