Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 14. Februar 1940
Mittwoch, den 14.II.40
Liebe Mutter!
Lange, lange habe ich von Dir keine Nachricht mehr bekommen. Dein Päckchen war das Letzte, was ich von Dir hörte. Und diesem lag doch nur ein spärliches Briefchen bei.
Hoffentlich bist Du nicht erkrankt. Ich habe Sorge um Dich. Oder bist Du so traurig?
Kopf hoch – steifer Nacken – so schnell kriegt uns doch keiner unter! In Gedanken bin ich doch immer bei Dir, - bin Dir immer nahe. Jeden Tag denke ich an Dich. – ob, Mütterlein jetzt an der Maschine sitzt, - ob sie nach Köln ist, - sitzt sie bei Oma oder Tante Stina? – Wirklich, Du bist nicht vergessen! Der liebe Gott schützt Dich, mein Gebet wird er erhören!
Schreib mir doch einmal einen schönen, langen Brief. Erzähle mir wieder einmal alle Kleinigkeiten Deines Alltags! Berichte mir aus der Familie, aus Dellbrück!
Was gibt es denn Neues? Was macht Berta denn eigentlich? Ist doch Alles in Ordnung? – Hoffentlich! –
Hier oben im Osten ist immer noch Winter, - kalter, grimmiger Winter. Das Thermometer zeigt immer 25°-30° C, und dabei schneit es noch. Die Seen sind nicht mehr zu erkennen. Man kann sie nur vermuten, wenn man auf großer Ebene dahinmarschiert. Jetzt habe ich seit 14 Tagen überhaupt keine Post mehr bekommen. Ich hoffe, daß Du und Margret mir bald schreiben, denn hier oben ist es schrecklich langweilig. Es ist eben langweiliges Lagerleben.
Unser einziges Vergnügen ist, wie ich Dir schon schrieb, das Kino. Es laufen hier ganz nette, auch garnicht so alte
Filme. Ich habe gesehen: Weißer Flieder, - Gauner im Frack, - Paradies der Junggesellen, - Der Kaiser von Kalifornien – usw.“ Das ist unsere ganze Abwechslung. Wie erwarten alle sehnlichst den Frühling! Im Sommer muß es hier ganz herrlich sein. Hier könnten wir einmal Ferien verbringen. Meine Quartierwirte würden uns schon gerne aufnehmen. Bestimmt, es sind liebe Menschen hier. Ich hatte Dir ja von dem Fischer schon erzählt. Bei Lehrers war es nicht so nett. Die wollten wohl und konnten nicht! Immer ête peut ête, bischen knauserig, zu sparsam um sich die Öfen – hier findet man überall die großen Kachelöfen – ordentlich einzuheizen. Die Mundart, das Wesen erinnerten viel an Familie Bartz.
Also, ich kann Dir nur versichern, ich bin gesund und denke viel nach Hause und kenne nur den Wunsch bald bei Dir zu sein.
In den nächsten Tagen hört die Urlaubssperre auf, ich bin schon bald wieder an der Reihe.
Liebes Mütterlein ich wünsche Dir alles Gute, bleib hübsch gesund und sei froh – nicht trübe und mißmutig. Einmal hat der Krieg ein Ende.
Herzlichst grüßt und küßt Dich
Dein großer Junge.