Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 2. März 1940
Samstag, den 2.III.1940
Liebe Mutter!
Samstag Nachmittag! Die Woche geht zu Ende! Die Mühe und die Arbeit sind vergessen! Ich freue mich auf den Sonntag! Ich bin in Feierabendstimmung! Sowas gibt es ja bei uns selten, aber darum genießen wir das selten gewordene Gefühl um so mehr.
Morgen werde ich faulenzen und schreiben. Am Abend gehe ich zum Kino. Schade, daß ich so meine schöne Zeit, die ich gerne anders nützen würde, verbringen muß. Aber ich bin ja nicht allein, meine Kameraden ziehen ja am gleichen Strick. Und ich glaube täglich werden neue Rekruten eingezogen und ausgebildet. Tausende trifft das gleiche Los. Dieses Wissen hilft uns über manches weg. Was wirst Du morgen machen? Bei Euch in Köln wird wohl schönes Frühlingswetter sein. Dann gehst Du aber raus! – Gelt? – Den schönen Weg am Hardthof wirst Du marschieren, wirst vielleicht die ersten Boten des nahen Maien entdecken. Der Krokus, Weidenkätzchen und Schneeglöckchen werden vielleicht jetzt schon, bestimmt aber bald blühen.
Wenn Du sie, die Frühlingsboten siehst denkst Du sicher an den vorigen Frühling, an den vergangenen Sommer. Weißt Du noch? – Wie oft sind wir losgezogen um schöne Exemplare für’s Herbar zu suchen! Denk einmal an die schönen Ausflüge rund um Paffrath!
So ist nun das Leben! Jetzt müssen wir um schöne Stunden zu finden in die Vergangenheit zurückblicken oder wir müssen von der Zukunft, die hoffentlich sonnig und froh ist, träumen.
Aber trotz Krieg und Wirren, trotz Feind und Tod zeigt der Herrgott uns seinen Willen zum Leben, zum schönen, prächtigen und sonnigen Leben. Seine Kunst die herrliche und fromm gläubige Natur. Dann ist es Wert ein Mensch zu sein, dies alles zu erleben.
Hier bei uns gab es gestern wieder Neuschnee. Jede Nacht bringt noch Frost. Der Winter ist immer noch Herr!
Ich bin immer noch der Alte. Dein großer, dummer Junge. Sonst gibt es nichts Neues!
Einen lieben Sonntagsgruß und einen festen Kuß
sendet Dir
Dein Rudolf.