Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 3. März 1940
Köln-Dellbrück, 3. März 1940
Mein lieber Junge!
Einen lieben Gruß zum Sonntag sende ich Dir! Nun ist schon der erste Sonntag im Lenzmond. Das Wetter ist ziemlich, es ist noch kalt, aber trocken. Auch heute war ich nicht raus. Der Sattler arbeitete am Chaiselongue. Viel Staub + Schmutz. Herr Lischewski, meine Einquartierung mußte heute Nachmittag auf Wache. Vorige Woche wurde er Gefreiter. Gestern, am Samstag, bekam er schon den Balken, das geht mit dem, was? Der macht Euch alten Soldaten noch etwas vor. Und wie geht es Dir? Gestern erhielt ich Dein liebes Schreiben vom 28.II. So, mein Junge, schreibe ich so wenig? Das komm daher, weil Du 4 Briefe auf einmal bekommst und dann wieder lange warten mußt! Aber ich bessere mich. Ich schrieb Dir ja schon, ich bin mit mir selbst auch nicht zufrieden! Wenn Du nicht da bist, ist es nichts. Meine Einquartierung macht mir auch viel Arbeit. Artillerie ist nicht so sauber wie Infanterie. Dann hat der Junge heute Liebeskummer, schrecklich, wie er sich gehen läßt. Ich könnte mir nicht vorstellen, daß Du so sein könntest. Da würdest Du wohl mehr Mann sein! Ich wünsche Dir von Herzen, daß Du keine Enttäuschung erlebst! Heute sind viele Soldaten in Urlaub? Wie ist es mit Dir? Da konntest Du ja bös Pech haben, war denn Glatteis? Deiner Erika alles Gute!
Tante Stina weiß von B. noch nichts. B. läßt es darauf ankommen. Sie will die letzten Monate zu Kirch’s nach Kalk gehen. Mal sehen, wie es wird. B. ist noch genau so anspruchsvoll zu Hause, wie immer. Eine eigenwillige Natur.
Mein Kind noch habe ich diese Woche kein Päckchen geschickt. Wahrscheinlich erst Dienstags. Es fehlt mir noch etwas zum Backen.
Schreibpapier kann ich Dir auch keins besorgen. Heute Nacht schläft Liesel hier. Sie wollte schon immer mal bei Tanne Anne schlafen. Sie freute sich riesig. Sie ist ganz anders, wie Hanni. Die wird am 1. April zur Schule gehen. Alle Neulinge aus Dellbrück kommen hier in die Thurnerstraße. Sie geht dann zur Mensa. Ich glaube, sie wird schwer lernen! Heinrich hat Nachricht bekommen, daß er nur noch bis zum 1.4.40 reklamiert sei. Da schlägt für ihn auch wohl bald die Stunde. Am 17. März, (Palmsonntag, soll die neue Kirche eingeweiht werden. Der neue Rektor dafür ist schon seit einigen Wochen hier. Er hielt heute früh eine sehr schöne predigt über den Sinn des Lebens! Sonst wüßte ich Besonders nicht mehr zu berichten. Bleib gesund + wohlauf, ich wünsche Dir alles Gute + grüße + küsse Dich herzlich
Deine Mutter.