Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 5. März 1940
Dienstag, 5. März 40
Mein lieber Rudolf!
Auch heute sollst Du einen lieben Gruß haben. Wie geht es Dir. Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 29.II. Ein bischen schneller geht die Post ja jetzt. Ich freue mich jedesmal, von Dir einen Gruß zu erhalten, zeigt er mir doch, daß Du immer noch der Alte bist. Ja, ich bin ja selbst so neugierig, was Du für eine Nachricht auf Dein Gesuch bekommst. Ja, wirklich, es wäre ein Märchen, wenn Du frei kämest. Auch ich will garnicht daran denken. Du hast recht, wir wollen Gott danken, daß wir gesund sind + uns so gut verstehen. Wenn es andere auch nicht tun. Frau Plantz z. B. Sie war das letzte Mal heute vor 4 Wochen hier. Ich schrieb Dir ja, daß ich mich etwas mit ihr verkracht hatte, d. heißt, sie fing wie immer an mit ihrem Klagen, wie schwer der Richard es hat u.s.w. + wie gut Du es hättest überhaupt die Unteroffz. und was nicht alles, da habe ich ihr gesagt, jeder könne ja machen was er wolle ich kümmere mich nicht darum was R. mache, da soll sie Dich auch in Ruhe lassen, jedenfalls glaubte ich, was Du mir sagtest. Na, die Woche drauf schrieb ich ihr ab, folgende Woche bin ich ihr aus dem Weg gegangen und nun ist’s scheinbar aus. Na, auch gut! Aber so alte Weibergeschichten sind nicht wichtig. Nun aber etwas, was Dich interessieren wird. Gestern Abend war Frau Perger hier. Frl. Agnes besorgt mir eine Karte zum Gründonnerstag zur Aufführung der Matthäuspassion im Gürzenich. Das erste Mal, Dienstags in der Karwoche wird sie im Dom sein. Also Fr. Perger erzählte das nächste Semester für die Mediziner, (ob für die andern, weiß ich nicht)
wird ein praktisches sein. Alle kommen fort, Jungen + Mädchen. Karl Heinz kommt für 3 Monate nach Riesenburg in Ostpreußen in ein Lazarett. Am 9. Sept. beginnt das nächste Trimester. Also Du resümierst ja nicht viel, nur Zeit! Aber, Du könntest dann ja nichts verdienen. Wie das noch mal werden wird, weiß ich noch nicht! Ob man irgendwo Geld geliehen bekäme zum Studium! Na, kommt Zeit, kommt Rat! Auch da wird uns der liebe Gott schon weiter helfen. –
Heute ist rechtes Märzwetter, Sonnenschein, dann Schneegestöber, Hagel + Sturm. Aber, der Frühling kommt doch, auch wenn es wieder kalt ist! Der Winter ist überstanden, man kann es fast nicht glauben. Ich muß sagen, Gott sei Dank, ich habe ihn gut überstanden, ich fühle mich in diesem Frühjahr viel besser, als z. B. voriges Jahr. Ob es daher kommt, daß ich nicht so viel zu nähen habe und deshalb mehr Ruhe habe? Jedenfalls. Ich danke unserm Herrgott dafür! Dir wünsche ich nun weiter alles, alles Gute und bin mit den herzlichsten Grüßen + einen treuen Kuß
Deine Mutter.