Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 22. März 1940
Karfreitag, 22. März 1940
Mein lieber Junge!
Heute, am Karfreitag gedenke ich Deiner ganz besonders. Es ist wunderbares Wetter, heller, warmer Sonnenschein und ganz windstill, ein blauer Himmel wölbt sich über der Erde, die nun aufwacht aus langem, tiefen Winterschlaf. Alles knospet und die Schneeglöckchen + Krokusse blühen. Und Du sitzt da oben im Schnee + Eis. Heute früh gegen 8 Uhr habe ich auf jede Bahn gewartet, ob Du kommen würdest. Noch immer denke ich, daß Du zu Ostern bei mir bist. Es täte mir sehr leid, wenn es nicht sein würde, denn, dann hast Du ja garnichts zu Ostern. Wenn es auch nicht viel ist, was ich habe, aber etwas hättest Du doch bekommen. Ich will nun heute noch backen, und wenn Du nicht kommst, dann geht gleich am Dienstag ein Päckchen weg. Es kam ja daher, weil Du schriebst, Du kämest, so wollte ich Dir hier damit aufwarten. Also, Rudolf, sei nicht böse, mir verdirbt es ja ein bischen die Ostertage, wenn ich daran denke, daß Du Ostern ohne jedes Päckchen bist! Das ist wohl der erste Festtag, an dem ich Dir keine Freude gemacht habe, und nun noch jetzt, wo Du fern der Heimat bist! Armes Lieb! –
Gestern bekam ich Dein lb. Schreiben vom Sonntag. Ich freute mich darüber und kann Dir sagen, daß ich noch wohlauf bin. Heute und morgen mache ich die Wohnung ein bischen österlich. Für wen? Mein Einquartierung ist noch da, ich soll Dir sagen, er wäre ein rechter Strauchdieb! Noch sehr unfertig einerseits, andererseits??? Na, jedenfalls sehr solide + anständig in jeder Beziehung. Ich meine ein bischen ähnelt er dem Richard, so überaus höflich, weißt ja, ich liebe das nicht so.
Es sind viele Jungens in Urlaub hier. Der kleine Heinrich’s, H. Steimels, der ist übrigens fast alle 4 Wochen einige Tage hier. Er ist Gefreiter bei seinen Pferden geworden, kommt daher in eignen Stiefeln, eigner Hose, feinem Rock, sieht aus wie ein Oberst. „Wer angibt, hat mehr vom Leben!“ Gleich will ich mal zur Oma gehen, heute früh war Heinrich mal da. Elli hört noch nichts von Josef. Kommenden Donnerstag muß Hanni nun zur Schule. Sie sagt, sie freue sich garnicht! Ich bin mal gespannt auf ihr Verhalten! – Im Geschäft haben wir noch immer zu tun. Im Übrigen alles im Lot!
Also, ich hoffe noch immer, Dich hier zu haben an den Feiertagen. Was wirst Du denn machen, wenn es nichts ist? Lieber Jung, ich sende Dir viele Grüße und küsse Dich herzlich
Deine Mutter.