Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 8. Mai 1940
Köln-Dellbrück, 8. Mai 40.
Mein lieber Rudolf!
Nun will ich heute früh gleich schreiben, da ich gestern Abend vor lauter Besuch nicht mehr dazu kam. Schönen Dank für Deinen so lieben Brief vom 3. Mai, und die lieben Wünsche zum Sonntag, die ja allerdings verspätet ankamen. Ich freue mich, zu lesen, daß Du mit frohen Gedanken an vergangene Tage denkst. Ja Rudolf, manche schöne Stunde haben wir auch gehabt, und ich freue mich, daß sie Dir heute noch wertvoll sind und Dir noch heute etwas geben. Ja gewiß, alles hat seinen tieferen Sinn. Auch ich lieben den Maimonat so sehr, nicht allein um seiner äußeren Schönheit in der Natur, sondern auch weil er der bes. Verehrung der Königin der Frauen geweiht ist. Wir haben in diesem Jahr einen sehr schönen Maialtar, weiße Callas + Vergißmeinnicht, sehr sehr schön. Auch ich habe zu Hause vor dem Mutter-Gottesbild einen frischen Strauß stehen, augenblicklich schönen Flieder. Auch lasse ich schon mal ein Kerzchen brennen und sage der Marienkönigin, daß sie Dich mir behütet, Du bist ja auch ihr Verehrer. Vergangenen Sonntag war eine Feier in St. Himmelfahrt in Mülheim für die Jugend, bei der H. P. Vorspel sprach. Da habe ich auch noch mal besonders an Deine frühe Jugend gedacht! Ja, mein Kind, Gott +
und seine hlg. Mutter mögen Dich beschützen, auf allen Deinen Wegen. Wo wirst Du Pfinsten sein? Ich wünsche Dir alles Gute zum Feste! Ich werde an Dich denken. Was ich mache, weiß ich noch nicht. Erst muß es mal besseres Wetter werden. Seit Sonntag ist es kühl + naß + neblig. Die Baumblüte ist hier schon zu Ende. Aber viele Blumen blühen, Tulpen, Flieder, Vergißmeinnicht, u.s.w. Alles ist so frisch grün, ganz wunderbar, nach dem langen Winter. – Gestern war Richard hier, morgens um 8 Uhr. Er hat 14 Tage Urlaub, über Pfingsten. Dann kam Nachmittags Fr. Plantz. Am Abend kam Herr Bentian hier vorbei, hatten ein Spiel auf der Hardt. Herr Schmidtke war nicht mit! Ich hab mich gefreut! Abends war Elli hier. Hanni geht es besser. Heute ist sie mal zur Oma. Liesel hat jetzt die Masern + Pseudo-Diphtherie. Ich war noch nicht da. Tante Stina ist auch krank, hat eine Zerrung in der Seite, war gestern bei Dr. Theisen. Soll pinseln mal vorläufig. Sie kann sich schlecht helfen. Ich muß ihr vor Pfingsten sicher etwas helfen. Karl-Heinz Perger ist in Erholungsurlaub hier. – Elisabeth Lingens hat gestern ihr erste Stelle angetreten in der Schule Heidkamp b. Berg. Gladbach! Typische Lehrerin. Gestern war hier in den beiden Kirchen Firmung. Frau Ernnert arbeitet fleißig im Garten, hat sogar im Vorgarten Bohnen gepflanzt! – So nun weiß ich nichts mehr. Ich muß nun nähen. Also nochmal zum Pfingstfest alles Gute und herzlichen Gruß + Kuß
Deine Mutter.
Von Vater höre ich noch nichts!