Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 12. Mai 1940
Pfingsten 1940!
Mein lieber, liebster Rudolf!
Pfingstmorgen! Ich war wie gewöhnlich um 6 Uhr zur Kirche, und will gleich noch einmal hin. Ich sitze allein, Hanni ist schon zur Oma, und daß da meine Gedanken ganz besonders bei Dir sind, das kannst Du Dir denken! Wo bist Du? Ich nehme an, daß auch Ihr jetzt nicht mehr in Ruhe seid. Doch, wo immer Du auch bist, meine Gedanken + Gebete begleiten Dich. Mehr kann ich ja jetzt nicht tun. Mein Junge, unser aller Herzen sind jetzt bei Euch, auch wir hier verfolgen mit Spannung die Geschehnisse. Es wird wohl der schwerste Kampf werden, hoffentlich auch der Endkampf. Man ahnte ja, daß noch etwas Großes kommen mußte. Möge Gott Euch Soldaten allen die Kraft und den Mut geben, das Schwere mannhaft zu erkämpfen und zu ertragen. Es wird ja viele Opfer fordern und Gott möge die trösten, die es trifft! Ganz besonders innig habe ich Dich heute früh unserm Erlöser + seiner hlg. Mutter empfohlen. Wie arm wäre man jetzt, wenn man nicht Gebet + Gottvertrauen hätte! Auch hier in der Heimat sind es ernste Pfingsten! Viele Frauen + Mütter sind allein, auch das Wetter ist nicht besonders. Es ist sehr kühl (Eisheiligen) und wolkig. Was ich die Tage anfange, weiß ich noch nicht! Man hat auch keine Lust groß irgendwohin
zu gehen! Man kann sich ja nicht freuen, auch wenn die Natur noch so schön ist! Man ist mit seinen Gedanken doch draußen bei den Kämpfern und hier an der Grenze bleiben wir vielleicht auch nicht ganz ungeschoren. Auch das beunruhigt einen. Ja, mein Kind, es ist Krieg. Wir wollen beten, daß es zu einem baldigen, siegreichen Frieden kommt. Wir sind sehr zuversichtlich in der Heimat. Wir wissen, daß wir die besten + tüchtigsten Soldaten + Waffen haben! Der Führer leitet selbst die Operationen. –
Herr Schmidtke, den ich zu Pfingsten einlud, hat abgeschrieben, er wollte nach Koblenz. Na, wo mag er jetzt sein. Herr Lisch. hat einen Bluterguß im Knöchel + liegt im Lazarett, er ist unglücklich, jetzt, wo die Kameraden weg sind, zu Hause bleiben zu müssen. Am Donnerstag waren Herr Grundig + Herr R[..] hier. Hanni schläft noch immer hier. Liesel ist auch schon besser, kann vielleicht heute schon heraus! Sonst weiß ich für heute nichts Neues.
Viele herzliche Grüße + einen festen Kuß
Deine
treue Mutter.