Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 15. Mai 1940

Köln-Dellbrück, 15. Mai 40

Mein lieber Junge!

Nun denke ich, ist die Postsperre vorbei, da will ich nun gleich einen Brief schreiben! Wie geht es Dir? Hoffentlich bist Du gesund und wohlauf! Ich denke sehr viel an Dich und bete für Dich, daß Gott Dich beschützen möchte! Hoffentlich höre ich bald etwas von Dir! Man lebt jetzt ja in einer Spannung. Bis jetzt haben wir ja große Erfolge im Westen! Gebe Gott, daß es so weiter geht! Unsere Truppen leisten ja Ungeheures! Wir kommen ja England immer näher. Ich bin mal gespannt, wie die Sache weiter geht! Hoffentlich kostet es nicht allzu viel junges Blut! Wir hier merken nun auch, daß im Westen gekämpft wird. Den ganzen Tag donnern die Flugzeugmotoren über uns dahin. In Köln waren die Feinde ja auch schon; aber es war nichts groß passiert. Vor allen Dingen sind keine Menschen zu Schaden gekommen! Wir wollen hoffen, daß sie uns nicht zu oft heimsuchen, damit man nicht zu nervös wird! Ja, es ist Krieg! Möge Gott uns alle beschützen. – Nun müssen sich wieder viele melden. Heinr. ist noch hier! Heinrich Steimels ist auch weg. Herr Lisch. ist noch krank. Sonst ist nicht viel Neues. Alles steht jetzt zurück von dem großen Geschehen. Man hat auch keinen Sinn für etwas Anderes. Ja, mein Kind, möge der liebe Gott uns gesund wieder zusammenführen. Richard ist noch in Urlaub. Er wäre jeden

Abend aus. Ich würde ja jetzt des Abends nicht ausgehen. Jetzt, wo H. Lisch. weg ist, bin ich wieder viel allein. Das ist nichts für mich. Hanni muß wieder zur Schule. Ich könnte sie ja jetzt auch nicht hier haben. –

Nun wünsche ich Dir, mein Junge alles Gute! Gott mit uns! Empfange viele liebe + herzliche Grüße + einen treuen Kuß
von
Deiner Dichl. Mutter.

Wo mag dieser Brief Dich erreichen? Gib mir bitte bald Nachricht! Ja?
In Liebe!
Mutter!