Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 22. Mai 1940

Mittwoch, den 22.V.40

Mein liebes Mütterlein!

Unhöflicherweise will ich Dir zuerst etwas von mir erzählen. Es ist leider immer noch nicht viel, was berichtenswert wäre. Wir leben immer noch im gleichen Raum, im gleichen Kreise. Wir können unsere Kameraden nur auf der Karte mit heißen Wünschen und mit klopfendem Herzen begleiten. Wir müssen eben unsere Pflicht an unserer Stelle tuen. Wir werden wohl auch einen Zweck erfüllen. Zwar ein kleiner Trost, aber es ist einer.

Morgen fährt ein Kamerad, Eugen Schröder vom Mühlenhof, in Urlaub. Der wird Dir meinen Gruß bringen, dem, bitte ich Dich, erzähle einmal von Deinen Sorgen und Ängsten. Von mir kann er Dir wenig erzählen. Ich hoffe, daß er mir von Dir viel Gutes erzählen kann. Hast Du viel Angst? Nur Mut, mein liebes Mütterlein.

Alles geht vorüber! Um mich brauchst Du Dir ja noch keine Sorge zu machen.

Was machst Du denn sonst noch? Was macht Deine Arbeit? Hat Vater Dir nun endlich die Miete geschickt? Ich möchte wissen, was da in Mainz los ist?

Hast Du schon etwas von meiner Besoldung gehört? Verschiedene Kameraden haben das Geld schon erhalten! Hoffen wir, daß Du es auch bald bekommst. Für Dich wäre es doch eine nette Beihilfe! Ich würde mich freuen, Dir dadurch ein wenig helfen zu können.

Liebes Mütterlein, ich bin in froher Stimmung trotz Tod und Krieg. Ich bin gesund und freue mich meines jungen Lebens. Zu Hause weiß ich ein Herz, daß mich nie vergißt, das für mich betet. Und vielleicht [hoffentlich] ist dies Herz nicht mehr allein. Ich wünschte mir ein gleich treues, starkes Herz Dir zur Seite, Dir und mir zur

dauernden Freude, der Herrgott möge es walten!

Zum Schluß noch einmal meine besten und heißen Wünsche für Deine Gesundheit, für Dein Wohlergehen für Dein Glück. Der liebe Gott möge Dich schützen und stärken um die schweren Stunden herzhaft zu bezwingen.

Alles, alles Gute und Gottes Segen wünscht Dir
Dein Junge.

Gruß und Kuß
Rudolf