Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 28. Mai 1940
Köln-Dellbrück, 28.5.40.
Mein lieber, lieber Rudolf!
Wo mag dieser Brief Dich finden, mein Junge? Ich hatte gedacht, heute von Dir etwas zu hören. Du wolltest doch öfter schreiben, so sagtest Du in Deinem letzten Briefe vom 23.5. Ich danke Dir sehr dafür. Über jeden Gruß freut man sich ja so sehr, wenn er auch noch so kurz ist. Nun bin ich gespannt, ob Ihr dort auch eingesetzt werdet. Gehe mit Gott, mein Junge, er wird Dir helfen + Dich stärken, in Allem, was Dir bevorsteht. Ich werde nicht aufhören, für Dich zu beten. Auch noch ein anderes Herz wird für Dich beten, nicht wahr? Wir wollen alles in Gottes Hand legen. – Mir geht es soweit noch gut. Man ist ja etwas aufgeregt, wenn man jede Nacht aus dem Schlaf aufgeschreckt wird. Man muß den Kopf oben halten, auch wir hier müssen auf Gott vertrauen. Diese harte, bittere Zeit müssen wir durchhalten. Hoffentlich dauert es nicht mehr lange. Heute war ja wieder eine erfreuliche Meldung. Die Belgier haben also auch Schluß gemacht! Wieder ein Vorteil für uns. Hoffentlich mischt Amerika sich nicht noch ein. Es kommt alles auf die Schnelligkeit an. – Morgen will ich Deinem Kameraden ein kleines Päckchen mitgeben. Ich habe nicht viel.
Für Wurst ist es auch zu warm. Auch bin ich knapp. Ich muß ja schon wieder für die neue Miete sorgen, und habe die alte noch nicht ganz bezahlt! Es ist doch viel jeden Monat. –
Gestern haben wir nun Onkel Johann begraben. Es waren nicht allzu viel Leute da, es regnete aber auch in Strömen. Er ist gut dran. Wo wäre er später wohl geblieben, wenn Tante Marie nicht mehr dagewesen wäre. Gott lenkt alles zum besten. – Nun muß ich Dir allerlei Grüße ausrichten, von: Combüchens, von Frau Müller, weißt Du, wo die Tochter gestorben ist, von Frau Paulus, von Tante Lieschen, von Frau Plantz. Letztere kommt noch jeden Dienstag. Auch von Oma + Elli soll ich grüßen. Sie sind schon im Bett! Ich bin froh, daß sie hier sind. Auch Oma ist froh!
Besonderes weiß ich nicht zu berichten, das Tagesgespräch sind die Flieger. Möge das bald aufhören. – Nun gute Nacht, mein Kind, ich will schlafen gehen für ein paar Stunden. Bleibe gesund, froh + stark. Es grüße Dich in alter Lieber recht herzlich + küsst Dich innig
Dein Mütterchen.