Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 16. Juni 1940
Köln-Dellbrück, 16. Juni 40.
Mein lieber, guter Junge!
Heute früh erhielt ich als lieben Sonntagsgruß von Deinen lieben Brief vom 13.6. Hab herzlichen Dank dafür. Ich freue mich, zu hören, daß Du wohlauf bist! Inzwischen wirst Du ja auch Post erhalten haben. Ich bin nun gespannt, wohin man euch steckt! – Ja, das große Geschehen reißt einen ganz mit fort. Alles andere ist nebensächlich geworden. Man ist mit all seinen Gedanken draußen bei unseren Soldaten. Es ist unbegreiflich, was geleistet wird. Man erinnert sich der Namen aus dem letzten Kriege, und denkt an all die Opfer, die damals nutzlos gebracht worden sind. Und doch, wie muß es jetzt den Soldaten sein, wenn sie siegreich in die Städte einziehen, um die die Väter jahrelang gerungen haben. Paris, Verdun, Arras, Ypern, Dünkirchen, dann Langemark, Lorettohöhe, Toter Mann u.s.w. Unserem Gott im Himmel + unserem Führer Dank aus vollem Herzen. –
Mir geht es gut! Wir haben jetzt 2 Nächte Ruhe gehabt, es war regnerisch + dunstig. Hoffentlich ist das bald überstanden. Wenn es den Engländern erst mal drum geht! Mal gespannt, wie der Führer das anfaßt! Frankreich scheint ja am Ende zu sein. Ob die neue Regierung Schluß macht? –
Hier müssen morgen wieder viele fort! Alles schon Ältere. Heute sah ich in der Kirche den Acker. Der ist nicht mehr bei der Marine, sondern Unteroffiz. bei den Fliegern. Er hatte das eiserne Kreuz! Er strahlte! Die haben ja wohl auch die besten Aussichten! Heute war ich nicht raus, das Wetter war nicht darnach! Am Nachmittag zur Oma + dann nach Iddelsfeld! Ich bin froh, wenn’s wieder schön wird, daß man des Sonntags raus kann. Sonst gibt es nichts Neues.
Bis bald! Ich sende Dir, mein Junge die besten Wünschen + Grüße + einen festen Kuß
Mutter!