Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 26. Juni 1940
Norwegen, den 26.VI.40
Meine liebe Mutter,
heute will ich Dir wieder einmal einen langen, ausführlichen Brief schreiben! Geschrieben hatte ich Dir von der schönen Eisenbahnfahrt durch Pommern, Meklenburg und Schleswig, von der freundlichen und überaus fetten Aufnahme bei den Dänen, von dem schönen, sauberen Hafenstädtchen, von den hübschen blonden Mädel. Nun noch etwas vom interessanten Verladen auf den Ocean Dampfer. Bist Du wieder einmal im Kino gewesen? Da kannst Du den Betrieb in der Wochenschau sehen. Du hättest die Gesichter der Pferde sehen müssen, als sie eine so luftige Reise mit dem Kran machten. Der steamer war in einem halben Tag verladen. Abends bin ich mit Erich Ruthe zu einer bekannten Familie gewesen, bei Clausens. In Dänemark herrscht die gleiche Gastfreundschaft als in Schweden. Die Seefahrt war herrlich, ihre Dauer 12 Stunden! Bei herrlichem Sonnenschein fuhren wir durchs Kattegat und Skagerak. Abends gegen 10.00 Uhr fuhren wir in den Oslofjord, mitten hinein in die untergehende Sonne. Es waren unvergeßliche Stunden. Von Oslo selbst schrieb ich Dir, man könnte glauben in Amerika zu sein. Aber schön war’s doch! Nun sind wir wieder hunderte von Kilometern nordwärts gefahren, durch unbeschreiblich schönes Land, durch weite Täler, mit fürstlichen Bauernhöfen. Romantisch wohnen wir nun, zu 5 hausen wir in einer Blockhütte, einer Almhütte gleich, 200 m über der Talsohle am Steilhang. [Inventar ein 3 schläfiges, niedriges Bauernbett, eine Schnitzbank, Tisch mit Bank und Feuerstatt, großer Kamin
mit einem Eisenkessel am Haken, in dem ich mich zur Not selbst braten könnte. Unter uns braust der Gebirgsbach, vielmehr Fluß, denn er ist 200 m breit. Durch seine Stromschnellen schießen tausende Baumstämme talab. Augenblicklich leuchtet die Abendsonne auf die Bergspitzen (Höhe ~ 800-1200 m) Im Tal breiten sich die Schatten aus, Kühle weht bergauf. Dunkel wird es jetzt überhaupt nicht mehr. Es bleibt so hell wie bei Euch um 22.00 Uhr Sommerzeit. Letztere gilt auch für Dänemark, aber nicht für Norge.
Der norwegische Bauer ist aufgeschlossen und deutschfreundlich, wie überhaupt alle Leute hier im Kampfgebiet. Deutscher Fleiß hilft hier überall wieder aufbauen. Liebes Mütterlein, du siehst welch herrliches Leben wir führen, nur keine Sorge um mich machen. Um Dich muß ich mir welche machen. Hoffen wir daß unsere Stukas den Engländern bald ihre Ausflüge nach Westdeutschland unmöglich machen. Wie geht es Dir sonst? Auf unserer Fahrt von Oslo hier hinauf in das weltberühmte Tal der Silberfüchse [natürlich jetzt in Farmen] erhielt ich Deinen lieben Brief vom 14.VI. adressiert an die alte Feldpostnummer. Für Deinen lieben Gruß hab vielen Dank. Von Margret habe ich immer noch keine Post. Etwas Unruhe habe ich deshalb. Aber der Herrgott wird es walten. Er wird auch unsere Herzen lenken. Nun liebes Mütterlein gute Nacht. Ich wünsche Dir diese ruhigen, unendlich stillen Nächte, die ich erleben darf. Den Herrgott bitte ich Dich zu beschützen, Dich zu beruhigen, Dich froh und zufrieden zu machen. Viele liebe Grüße an alle.
Es grüßt und küßt Dich
Dein Junge.