Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 23. Juni 1940
Oslo, den 23.VI.40
Meine liebe Mutter.
Endlich, nach langer, langer Zeit finde ich Zeit, Dir liebes Mütterlein, einen lieben und frohen Gruß zu senden. Nun sind wir noch um vieles weiter voneinander. Wenn wir auch räumlich weit auseinander sind, unsere Herzen sind sich immer gleich nah.
Vorerst möchte ich Dich nach Deinem Befinden fragen. Liebes Mütterlein, wie geht es Dir? Bist Du noch gesund und hast Du guten Mut? Wir haben gehört, daß Ihr in Köln fleißig Besuch bekommt. Ich bete, daß der Herrgott Dich schützt und Dir Mut gibt. Sei nicht zu ängstlich, bald kommen die nicht mehr!
Jetzt will ich Dir von meinem Erlebnis erzählen. Von Groß Born ging’s abends los. Die Fahrt ging durch Pommern nach Meklenburg. Am Spätnachmittag ging’s durch Schleswig Holstein, durch Rendsburg über den Kaiser Wilhelmkanal, durch Flensburg hinein nach Dänemark, wahrlich einem gelobten Land. Noch heute fließt’s von Milch und Honig. Wir kamen durch Frediricia, Aarhus nach Aalborg. Hier bezogen wir Biwak. Die Fahrt war interessant. Wir haben Stadt und Landleben der Dänen kennengelernt. Hier gibt’s noch alles Kaffee, Sahne, Eis, Schokolade, Rauchwaren und alles Obst. Wir haben 3 Tage lang gelebt wie im Schlaraffenland. 2 Kronen bekamen wir für die Mark. Da konnten wir für leben. Abends sind wir zum Essen ausgegangen! Da hättet Ihr daheim mit dabei sein
müssen. In Aalborg sind wir auf einen Transporter geladen worden. (ein nettes Stück Arbeit.) Aber es war schön und interessant. Wir waren 2 Tage und Nächte da, und dann ging es in See bei herrlichstem Wetter. Durch’s Kattegat an Jütlands Küste vorbei, durch’s Skagerak hinein in den märchenhaft schönen Oslofjord. Oslo hat mich eigentlich enttäuscht! Köln ist schöner!
Wie nun die Menschen sind? In Dänemark ist man mit der Lage sehr zufrieden. Man ist zufrieden, wenn man Ihnen ihre Gemütlichkeit, ihren Lebensstil [der erstaunlich hoch ist] läßt. Man geht sehr gut gekleidet, man ißt gut und reichlich. Billiger als in Deutschland ist es aber doch nicht. Wir Soldaten wurden respektiert, freundlich behandelt. Dankbar war man für das korrekte Verhalten der deutschen Soldaten.
In Norwegen ist man viel kälter. Wir werden, trotzdem wir z. B. das Straßenbild in Oslo beherrschen, nicht beachtet. Es kann vorkommen, daß man den Tisch verläßt, wenn ein Soldat sich hinzusetzen will. Auch hier trägt man gute und sehr elegante Kleider. Die Mädels sehr sehr freizügig. (Hosenmode, Shorts usw.) Das Essen ist gut, jedoch nicht so wie in Danmark. Oslo kennen wir nun. Bald geht es weiter!
Jetzt werde ich wieder regelmäßig schreiben. Ich bin gespannt wie lange die Post geht.
Von Dir und Margret habe ich nun lange nichts mehr gehört. Hoffentlich kommen bald Eure lieben Briefe! Euch Beide vergesse ich nicht und bete für Euch! Heute war in Sankt Olaf Gottesdienst. Auch für uns sorgt man in dieser Weise.
Und zum Schluß. Vielleicht kann ich Dir bald Alles mündlich berichten.
Dich grüßt u. küßt Dein großer Junge.