Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 29. Juni 1940
Samstag, den 29.VI.40
Mein liebes Mütterlein.
Morgen ist Sonntag. Über dem stillen und friedlichen Tal liegt der durchsonnte Feierabend. Der Bauer hat schon Sonntag, die Bäuerinnen haben die alte, wunderbare, farbige Nationaltracht angelegt. Nun stehen sie am Holzkirchlein am Fluß und genießen wie wir den herrlichen Sommerabend. Hier müßtest Du, mein liebes Mütterlein dabei sein. Eine Landschaft liegt hier, [vor unserer Blockhütte], vor unseren Augen wie sie der beste Maler nicht wiederzugeben vermag. 5-6 km können wir in’s Tal hineinsehen, immer wieder schieben sich Felsen und Bergvorsprünge wie Kulissen seitwärts in unser Blickfeld. Wie der Loreleyfelsen nur viel höher und bizarrer. Rauschend braust der Fluß zu Tal. Heute haben die Flöser alle Baumstämme die sich festgesetzt hatten wieder flott gemacht. Gehen wir 5 Minuten bergan, sehen wir im Norden die Eisgekrönten. Müde wird man hier. Wir sind die sauerstoffreiche Luft noch nicht gewohnt. Ich bin gespannt, wie der morgige Kirchgang aussehen wird. Dann steigen sie von den Almen herab (4 Reitstunden weit) um zur Kirche zu gehen. Die Bevölkerung ist streng lutherisch.
Unser Leben augenblicklich ist wie ein Märchen. Ich denke da an ein schönes Buch. „Und ewig
singen die Wälder!“ von Gulbrandson.
Ich bin froh und glücklich. Gebe der Herrgott Dir auch Frohsinn und Glück und uns ein baldiges frohes Wiedersehen.
Von Margret habe ich seit Groß Born nichts mehr gehört. Vermutlich sind wieder Briefe verlorengegangen. Gestern bekam ich Deinen Brief vom 28. Mai von Berta Post des gleichen Datums. Vielleicht liegen auch Ihre Briefe irgendwo fest! Wenn man einen Menschen gern hat sorgt man sich um ihn. Wie sieht Köln aus? Haben die zahlreichen Besuche viel geschadet? Na, nun wird wirklich bald Schluß mit Englishman gemacht.
Sprachlos steht man dem großen Zeitgeschehen gegenüber. Wie wird all das enden? Jedenfalls steht eines fest: Deutschland wird siegen und diesen Sieg für sich und alle Welt vernünftig ausnützen. Gott möge uns weiterhin beistehen! Du schreibst mir einmal wieder von Deinem Alltag? Gerade der interessiert mich ja so sehr! Und für heute nun genug!
Mit den allerbesten Wünschen
grüßt Dich auf das Herzlichste
mit einem festen Kuß
Dein Rudolf.