Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 14. September 1940

Berg.-Gladbach, 14. Sept. 40.

Mein lieber Rudolf!

Heute bekommst Du einen lieben Gruß aus Gladbach. Ich bin mit Oma zum Wochenend bei Elli. Heute Mittag sind wir hergefahren, und haben nach dem Kaffee einen Spaziergang nach Herrenstrunden gemacht! Es ist kühl, aber doch schön. Langsam färben sich die Blätter, das Tal der Strunde ist doch schön. Nun sitzen wir hier gemütlich in der Küche. Hoffentlich können wir die Nacht schlafen, d. h. die letzte Woche haben uns die Engländer bis auf einmal in Ruhe gelassen. Hoffentlich, Gott möge es geben, kommen sie bald nicht mehr, damit man sich des Abends mal wieder ausziehen kann. Was muß das ein Gefühl sein. Aber, so Gott will kommt das alles wieder, + dann, dann ja dann kommt auch Ihr lieben Jungens wieder heim. Wird das schön werden. Nun habe ich diese Woche geputzt + gefegt, alles ist blitz-blank, und immer bin ich allein. Aber, Gott gebe es, einmal ist mein Junge wieder da. – Morgen früh wollen wir nach Herrenstrunden zur Kirche, Montag früh fahren wir mit Elli wieder nach Dellbrück! Wenn das Wetter + die Zeit es erlaubt, wollen wir noch öfter des Samstags hierherfahren. Es ist schön, mal eine Veränderung. Meinen Proviant nehme ich mit. So nun habe ich aber genug von mir geschrieben. –

Wie ich aus Deinen lieben Briefen ersehe,

geht es Dir gesundheitlich noch gut. Aber traurig warst Du, als Du den Brief vom 5.9. schriebst, Dein nächster, vom 8.9. ist schon besser. Hat etwas nicht geklappt? Ja Rudolf, auch wir hier waren froh, als wir hörten daß es nun gegen England los ging. Hoffentlich geht es weiter. Die Engl. sind ja hartnäckig, es gibt noch einen harten Kampf. Ob es vor dem Winter getan ist? Wir wollen es hoffen. Und dort bei Euch ist es schon so kalt? Bekommt Ihr für den Winter noch besonders warme Kleidung? Hier ist es für die Jahreszeit auch schon sehr kühl, eine Nacht in der vergangenen Woche war es nahe am Gefrierpunkt. Wir bekommen einen frühen Winter. Ich bin froh, daß der veränderte Dienst Dir gut gefällt. Also Erika freute sich so, als sie Dich sah? Ich glaube es schon. Bekommst Du auch Lederschuhe bei die Skier? Fein, daß Du das auch lernst! Ja mein Junge, ich weiß daß Ihr auch allerlei Strapazen ausgehalten habt, ja, jeder an seinem Platz, jeder tut da seine Pflicht, wo er hingestellt wird. –

Wenn Du vor Weihnachten noch einmal kämst, was wäre das schön. Es ist ja eine lange, beschwerliche Reise. Geht’s über Schweden? Aber, die Freude wäre auch groß! Nun hast Du also endlich den bösen Zahn weg! Gott sei Dank! Keine bösen Nachwehen gespürt? –

Über die letzten Bilder habe ich mich bes. gefreut, sah ich doch meinen Jungen mal endlich wieder. Ja, dünner bist Du geworden. Iß nur ordentlich, damit Du im Winter etwas Fett zuzusetzen hast! Interessant Deine Schilderung

der Landschaft. Und da schreibst Du ob mich das langweile? Und ich freue mich so über alles, was Du mir mitteilst, ich interessiere mich doch für alles. Dann mache ich mir ein Bild davon. Die Stadt B. ist ja auch sehr schön, schöne Bauten, und die schöne Kirche! Ich freue mich schon jetzt auf Dein Erzählen. Wilh. Schnell ist jetzt auch nach Norwegen gekommen. Niedenhoff ist in Urlaub, er hat nicht mehr so einen dicken Nacken. Albert Perger ist auch da, der sieht sehr gut aus, ist in Danzig. Niedenhoff an der russischen Grenze. Heinrich meint nun auch, daß sie ihn holen. Dort geht’s noch gut! Auch sonst in der Familie alles in Ordnung. Berta ist seit Montag wieder im Dienst! Sie wollte Dir selbst schreiben. – Nun muß man für den Winter sorgen. 15 Zentner Briketts habe ich schon. Einen Mantel für Alltags muß ich haben. Der andere hat im Luftschutzkeller viel gelitten. Ich dachte, mir einen Lodenmantel zu kaufen, er ist nicht so teuer + braucht nicht so viel Punkte, als wie ein Wintermantel! Die Einmacherei ist nun vorbei, diese Woche noch 30 Pfd. Pflaumen, ich kaufe sie bei T. Stina, dann habe ich alle Gläser gefüllt, 12 große habe ich noch gekauft. Vergangene Woche war ich mit Oma in den Brombeeren, 7 Gläser Gelee habe ich. Montag geht es nun wieder in die Arbeit! Ich wollte doch nicht fortfahren in den Ferien, man weiß nicht, was zu Hause passiert, es könnten Brandbomben kommen oder sonst etwas. Die letzte Woche war auch das Wetter nicht schön, naß + kalt!

Ist das Obst, 2 Päckchen Äpfel + 1 P. Pfirsiche gut angekommen? Hat’s geschmeckt? Äpfel schicke ich Dir noch mal. – Nun Rudolf will ich Schluß machen! In Gedanken bin ich viel bei Dir, das weißt Du. Wenn wir auch räumlich getrennt sind, unsere Gedanken finden sich darum doch. Bleibe weiter gesund + froh + mutig. Kopf hoch, Du bist noch jung. „Uns geht die Sonne nicht unter!“ Dir alles, alles Gute wünschend, sendet Dir liebe Grüße + einen Kuß
Deine
Dich l. Mutter.

Herzlichen Gruß von Oma + Elli.