Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 19. September 1940
Köln-Dellbrück, 19. Sept. 40.
Mein lieber Rudolf!
Heute hatte ich ein Lebenszeichen von Dir erwartet. Leider ist nichts angekommen. Hast Du wenig Zeit zum Schreiben? Ich warte so mit Verlangen auf Nachricht! Bist Du gesund? Wie ist dort das Wetter? Hier war es heute nach ein paar stürmischen Tagen schön, aber warm, vielleicht kommt wieder Regen. Der Herbst ist da; das Laub färbt sich. Am Haus die Blätter des wilden Wein’s fallen ab. Im Feld wird das Letzte geerntet, Rüben + Kartoffel. Überall sieht + riecht man Kartoffelfeuerchen. Seit vorgestern hat der Schulunterricht nach 2 monatlichen Ferien begonnen. Noch ein paar Tage, und der Oktober ist da. Die Zeit verfliegt, bei dem Warten auf den Fortgang des Krieges. Wann mag der große Schlag kommen; niemand, außer dem Führer, weiß es. Hoffentlich hält Amerika sich aus dem Konflikt heraus. Die letzten Nächte haben uns die Engländer hier in Ruhe gelassen. Man hört schon mal schießen. Man schläft ja noch nicht ruhig. –
Seit Montag arbeite ich wieder. Es ist noch nicht viel zu tun. Einen Tag mußte ich ohne Arbeit nach Hause gehen. Hoffentlich wird es bald besser. Morgen schicke ich Dir noch einmal ein paar Aepfel. Schmecken sie Dir? Gibt es dort welche zu kaufen? Frau Plantz schrieb aus Hönningen, wohin sie für 4 Wochen gefahren ist, eine Karte. Ihr ältester Sohn ist auch eingezogen. Richard
wäre ausgerückt aus seiner Garnison, Richtung Süd-Ost. Sie hätte noch nichts gehört. –
Frl. Missing hat auch geheiratet, ihr Mann war 14 Tage in Urlaub hier und da haben sie plötzlich geheiratet. Er muß noch ein paar Semester studieren. Das ist doch nichts. Sie haben bei den Schwiegereltern nur ein Schlafzimmer. Sie haben auch Ehestandsdarlehen beantragt. Sie ist wieder ganz bei Reuland. Sie erzählte alles Elli, die auch im Mutterschulungskurs war. Der junge Mann wäre schon 31 Jahre alt! Wenn er nicht schon so alt gewesen wäre, hätte er auch noch Medizin studiert! –
Bei mir ist alles beim Alten. Auch bei den Andern. O. Arnold hat mal wieder den Koller. Berta ist noch in Köln, wo sie vorläufig auch bleibt. Sonst nichts Neues. Empfange viele herzliche Grüße + einen Kuß von
Deiner Mutter.