Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Oktober 1940
Dienstag, den 1.X.40
Meine liebe Mutter.
Komme erst heute dazu, Deine lieben Zeilen vom 22.IX. zu beantworten und Dir dafür zu danken. Ich danke dem Herrgott, daß er Dich bis jetzt gesund erhalten hat und bitte ihn auch weiterhin Dich zu beschützen. Nun ist schon der Oktober gekommen! Wo bleibt nur die Zeit? wir alle rechnen nun doch bald mit dem Ende. Allzulange wird es bestimmt nicht mehr! Nur nicht zu guter letzt noch den Kopf verlieren. Unsere Parole: „Gott mit uns!“
Ich kann mir die traurigen Nächte im Luftschutzkeller ausmalen, - in London wird es wohl schlimmer sein! Hat Tante Mal einmal Nachricht von Tante Finchen bekommen.
Ich bin dabei Autofahren zu lernen. Eine Woche habe ich nun schon von morgens bis abends am Steuer gesessen, schon manchen Kilometer habe ich hinter mich gebracht. Am Samstag ist nun Schluß der Fahrschule und Fahrprüfung. Du kannst mir einen Daumen halten.
Ich bin in einem Opel Olympia und in einem Opel Kadett geschult worden. Das Fahren macht mir viel Spaß.
Gesund bin ich immer noch wie ein Fisch! Ich glaube, Ihr daheim habt ganz falsche Vorstellungen von dem, was es hier zu kaufen gibt.
Textilwaren zu kaufen war schon immer verboten und jetzt auch garnicht mehr möglich, weil der Reichskomissar Terboven Karten für die Norweger eingeführt hat. Ab 1. Okt. nun, können wir Soldaten auch keine Backwaren, Brot, Käse, Eier usw. kaufen. Alles ist rationiert. Warum? Der Norweger soll nichts entbehren, der deutsche Soldat wird gut und ausreichend verpflegt. Er soll der Zivilbevölkerung nichts vor der Nase wegschnappen. Chokolade gab es nur in den ersten 14 Tagen. Ich hätte Dir sonst längst schon ein Paketchen geschickt. Aber war soll man schicken?
Wenn Du die Photographien betrachtest kannst Du verstehen, daß ich schon immer für Skandinavien schwärmte. Ja, es ist ein schönes, herbes Land.
Mit meinen Quartiersleuten habe ich es wirklich gut getroffen. Es ist kein Bauernhof sondern eine Silberfuchsfarm, wie so viele in der Umgebung. Die Leute sind wirklich nett, von Tag zu Tag werden sie aufgeschlossener und freundlicher. Unsere Sprachkenntnisse werden umfangreicher, jetzt können wir uns schon recht nett unterhalten.
Wie alt die kleine Gerd ist? 15 Jahre. Ihre Tracht hat sie von ihrer Großmutter. Bluse, gestickte Schürze usw. sind über 70 Jahre alt. Ja, es ist noch Hausmacherleinen, die schwere, mit herrlichen Blumen geschmückte Schürze ist aus Wollmoussoline. Es ist die Tracht des Hallingdal’s. Im Hemsedal, am Hardanger trägt man wieder eine andere Tracht.
Auch heute lege ich Dir einige Photos bei.
Und nun liebes Mütterlein sendet Dir einen frohen Gruß und festen Kuß
Dein großer Junge.