Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 6. Oktober 1940
Berg.-Gladbach, 6. Okt. 40.
Mein lieber Rudolf!
Wiederum bin ich in Gladbach! Wiederum ein lieber Gruß für Dich. Wir kommen soeben von einem ausgiebigen Spaziergang rund um Gladbach. Wir haben uns müde gelaufen, aber es war wunderschön. Erst waren wir hinter Ellis Wohnung her durch den Wald herauf nach Rommerscheidt, dann herunter über den Mühlenberg, zum Friedhof, quer über den Markt das Treppchen herauf den schönen Weg zum evang. Krankenhaus, dann an dem schönen Haus vorbei, weißt Du bei Sand, wo man den schönen Blick hat; dann nach Greuel, ein Stück Sanderstraße, dann über den Sonnenweg nach Hause. Nun fängt der Wald mit Macht an, sich zu färben. Wenn man nicht immer an die unruhigen Nächte dächte, würde man das alles viel ausgiebiger genießen. So steht hinter allem immer der Gedanke an den frühen, dunklen Abend + an die Flieger. Gestern Abend kamen sie schon vor 10 Uhr, wir wollten gerade schlafen gehen. Nun habe ich hier ja nicht so viel Angst. Sie haben aber auch mächtig geschossen. Wenn das nur mal aufhörte! –
Wie geht es Dir? Ich freue mich auf Deinen versprochenen, langen Brief. Morgen früh, so
lieben Gottesmutter. Heute ist Rosenkranzfest! In Liebe grüßt + küsst Dich herzlichst
Deine Mutter.
Gott will, wenn ich nach Hause komme, finde ich ihn wohl vor. Heute habe ich in Rommerscheidt noch Aepfel gekauft, Du bekommst dieser Tage noch welche. Allzu viel gibt es nicht, gerade Aepfel. Sonst war hier reichlich Obst. Heute ist Erntedankfest! Es wird ja nicht öffentlich gefeiert. Ja, trotz des schlechten Wetters hat unser Herrgott uns noch eine gute Ernte geschenkt, Frucht, Obst, Hackfrüchte, alles gut geraten. Dem Herrn sei Dank dafür. – Sonst weiß ich nicht viel Neues zu berichten. Alles beim Alten! Berta ist wieder zu Hause, Anni seit Freitag im Krankenhaus. Was ihr fehlt, weiß ich noch nicht recht! Mit der Arbeit will es noch nicht so recht! Drei Posten [..], mehr hab ich nicht die Woche. – Rudolf ich war bei Uerling. Deine Uhr kann er nicht machen, eine billige ist nichts. Ich habe meine hingebracht, die will er diese Woche machen, dann schicke ich Dir die. Ist es so recht? – Hier sind viele, ältere Soldaten entlassen worden, junge dafür eingezogen. Nun geht es langsam auf den Winter zu. Ob wir wieder Einquartierung bekommen? Einesteils wäre es mir recht, wieder einen jungen Menschen im Hause! Du mußt mal als Einquartierung kommen, das wäre was. Mein Junge, ich habe rechte Sehnsucht nach Dir. Ich denke des Abends oft, wie es wäre, wenn Du nach Hause kämst, und wir noch beisammen sitzen könnten. Ob wir
das noch erleben? Möge Gott es geben! Achte nur bitte auf Deine Gesundheit, mein Junge, ich befehle Dich alle Tage unserm Herrgott + der