Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 6. Oktober 1940

Sonntag, den 6.X.40

Mein liebes Mütterlein.

Zum Sonntag sende ich Dir einen frohen und herzlichen Gruß. Ich hoffe, daß es Dir den Umständen gemäß gut geht und Du Dir Dein frohes Herz und Deinen guten Mut erhalten hast. Nochmals erhielt ich ein Päckchen mit Äpfeln und eines mit den Pflaumen von Tante Stina. Alles kam gut und wohlbehalten an. Ich danke Dir recht herzlich.

Nun noch so allerlei von mir. Du schreibst, ich ginge garnicht auf Deine Briefe ein. Liebes Mütterlein, das ist nur Zeitmangel. Im Augenblick habe ich auch viel Arbeit. Selbst heute am Sonntag machen wir Fahrschule. Die Prüfung mußte leider verschoben werden, da der Abnehmende, ein Offizier der Division verhindert war. Nun findet sie wahrscheinlich am Dienstag statt. Zum Schreiben muß ich mir tatsächlich die Zeit stehlen. Körperlich und gesundheitlich geht es mir ausgezeichnet. Ich hole das Gewicht wieder auf, daß ich in Ulven verloren habe. Die kleine Grippe ist überstanden (ich schrieb Dir ja davon). Nun bekomme ich wieder

dickere Backen. – Und seelisch, - ich will zufrieden sein. Ich kann nur immer wieder sagen, man entbehrt doch sehr das gewohnte kirchliche Leben. Der Kirchgang ist doch das Bestimmende für den Sonntag. Und der fehlt uns ja gänzlich. Damit will ich nun nicht gesagt haben, daß ich unseren Herrgott vergesse, ich kann wirklich, wenn auch nur kurz, gut beten. Und im Gebet denke ich stets an Dich.

Und mit Margret? Sie schrieb mir eine Karte aus München. Ich habe sie noch nicht beantwortet. Ich will noch etwas mit der Antwort warten. Wenn es so sein soll, dann muß ich eben vergessen, leicht wird es nicht, - aber ich muß.

Seit gestern ist es wärmer geworden und es regnet. Es war schon recht kalt. Morgens mußten wir schon das Eis vom Waschwasser klopfen. Um 7.00 Uhr wird es erst hell, um 20.00 Uhr wird es dunkel. Abends sitze ich gewöhnlich für eine halbe Stunde bei der Familie Lindh am Ofen. Dann nehme ich meinen Sprachunterricht. Wie ich Dir schon schrieb, wird das Verhältnis zur Bevölkerung immer besser. Von der Englandschwärmerei sind sie aber doch noch nicht ganz befreit. Von den politischen Ereignissen in Norwegen wirst Du in den Zeitungen gelesen haben. Die Norweger waren natürlich gedrückt,

als sie vor die vollendeten Tatsachen gestellt wurden. Ich aber glaube, daß sie mit der Zeit sich unter deutscher Führung wohl fühlen werden.

Gestern bekam ich einen Brief von Anneliese. Sie will eine Adresse von einem armen aber jungen Soldaten, der keine oder wenig Post erhält. Zum Lachen, was? Diese Gören!

Was gibt es in der Familie Neues? Von Onkel Arnold erhielt ich auch Post. Man kann nur mit dem Kopf schütteln. Ob der einmal vernünftig wird?

Auch heute gehst Du sicher nach Gladbach. Viel Spaß! Hoffentlich können wir zwei bald wieder zusammen marschieren.

Im Moment bringt man mir einen Brief von Dir aus Gladbach vom 30.IX. Hab vielen Dank! Dir geht es also bis auf Kleinigkeiten gut. Nur Kopf hoch, der Winter und der Krieg gehen vorbei, Na, vielleicht kann ich Dir doch helfen Dein mit Fleiß und Eifer eingewecktes Obst zu verzehren.

Ja, in Herrenstrunden wird es jetzt prachtvoll sein. Das Tal im Herbstschmuck! Hier stehen die Laubbäume schon kahl und warten auf den strengen Winter. Sollten wir noch hier sein, erleben wir bestimmt viel Feines.

Heute bekommst Du einige Bilder von der Überfahrt. Sind Sie schön?

Ich habe Dich schon einmal gebeten, mir eine Photographie von Dir zu schicken. Ich

bitte Dich nochmals. Denkst Du auch einmal an meine Uhr. Gestern habe ich mir einen Füllfederhalter gekauft. Ich kann ja nicht immer mit Bleistift schreiben.

Und nun einen lieben, frohen und herzlichen Gruß und einen festen Kuß
Dein großer Junge.