Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 14. Oktober 1940
Köln-Dellbrück, 14. Okt. 40.
Mein lieber Junge!
Nun muß ich Dir aber heute sofort schreiben, gestern in Gladbach kam ich nicht dazu. Wir hatten in Rommerscheidt Aepfel geholt, in Sand waren wir zur Kirche, und gestern Abend, kaum daß wir zu Abend gegessen hatten, war schon Alarm. Auch Samstag-Abend schon um 9 ½ Uhr. Da waren sie in Dellbrück, in der Nähe von Onkel Willi. Spreng + Brandbomben haben sie geworfen, Gott sei Dank ist kein Menschleben zu beklagen. Überhaupt in der vergangenen Woche waren sie rund um uns herum. Was wird uns der Winter lang werden!!! Aber wir können nichts daran ändern. Gott muß uns helfen + beistehen. Ja, jetzt kann man beten! – Heute erhielt ich auch Deinen lieben Brief vom 6.X., mit den Bildern. Ich freute mich über Dein ausführliches Schreiben. Auch die Aufnahmen sind gut. Sehr schön bist Du getroffen, so freundlich schaust Du aus, mein Jung! Wenn ich Dich nur erst mal wieder hier habe. Ich will auch hoffen, daß Du mir die eingeweckten Sachen verzehren hilfst! Also die Pflaumen waren noch gut, das ist fein. Ich hab noch Birnen für Dich! – Also Du hast jetzt so wenig Zeit? Na, wie war denn nun die Prüfung? Liegt Dir das Fahren? Ich freue mich besonders
darüber, daß Du gesund + frisch bist! Ich kann Dir nachfühlen, daß Du die sonntägliche Feier vermißt, es ist ja auch nichts. Der Mensch muß auch für die Seele etwas haben. Hast Du kein Gebetbüchlein mehr? Also, ich war Freitag wegen der Uhr bei Uerling, er hatte sie noch nicht fertig, diese Woche soll es bestimmt sein. Ich schicke sie Dir sofort im Päckchen mit etwas Obst! Hoffentlich klappt die dann! Ein Bildchen von mir sollst Du auch haben, ich lasse eins machen, hab‘ ja so recht nichts. –
Die Sache mit Margret tut mir leid für Dich, Rudolf! Du meintest es so ehrlich + gut! Ich freue mich, daß Du mit Deinen Quartierleuten gut auskommst! Hoffentlich wird das Volk dort zufrieden. Anneliese H. erzählte mir, sie hätte Dir geschrieben, aber nicht, was. Aus der Familie gibt es nichts Neues zu berichten. Anni ist operiert worden, genaues weiß ich noch nicht, T. Stina ist heute hin. O. Arnold ist noch derselbe, heute war mal wieder schlecht Wetter da. Gestern hatten wir in Gladbach einen schönen Tag. Die Wälder sind ja jetzt herrlich. Gestern früh hatte es etwas gereift, nachher kam die Sonne durch, dann in der frischen Luft sind wir nach Sand gegangen durch den Wald, ein schöner Weg. Dann waren wir wieder in Rommerscheidt! Ja, wenn wir Beide mal wieder Sonntags-früh losziehen könnten. Wir werden noch Geduld haben müssen! In den nächsten Tagen schicke ich Dir nochmals Obst! Schmeckt es Dir? Nun will ich Schluß
machen. Auch ich sende Dir einen lieben + herzlichen Gruß und einen festen Kuß,
Deine treue Mutter.