Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 22. Oktober 1940
Köln-Dellbrück, 22. Okt. 40.
Mein lieber Rudolf!
Auch heute sollst Du einen lieben Gruß haben. Wie geht es Dir? Ich wünsche daß Du wohlauf + zufrieden bist. Ist es schon sehr kalt? Habt Ihr schon Schnee? Seid Ihr schon in den neuen Unterkünften? Ist es dort auch warm? Habt Ihr Euch Holz besorgt für den Winter? Wie ist es sonst? Du denkst auch, soviel Fragen! Ja mein Junge ich denke soviel an Dich und an Dein seelisches + körperliches Wohl! Möge es mir doch vergönnt sein, bald wieder für Dich zu sorgen. Mein Leben hat jetzt doch eigentlich wenig Inhalt! Wir hatten es so schön vor. Aber, alles alles hilft nichts, wir haben Krieg, das besagt alles. Das heißt für Alle: „opfern“. Wir wollen es mit aufrechtem Herzen + Mut tun. Gott möge uns helfen. Nun befehle ich Dich täglich! –
Ich bin wieder in Gladbach. Wir haben uns für diese Woche eine Karte von 1,80 geholt, zu Fuß war es doch zu viel 2 x täglich den Weg. Und es ist früh dunkel. Da kommen abends auch die Flieger früh. Sonntag + gestern kamen sie schon um 8 ½ Uhr. Vorletzte Nacht haben sie hier in Gl. + zwar auch hinter unserm Haus hier Brandbomben geworfen, gottlob viele in die Wiese + Weide und auf die Straße. Einen ordentlichen Schrecken haben wir doch bekommen. Letzte Nacht mußten wir auch hier in den Keller. Es ist schon empfindlich kalt des Nachts. Ja, wir werden uns noch den Winter über gedulden müssen. –
Heute war Frau Plantz bei mir. Sie ist noch
die Alte, immer pessimistisch. Richard hat es nochmal schlecht getroffen, er schläft wieder auf dem blanken Fußboden. Andere führen ein Herrenleben, und ihre Söhne müssen so Vieles entbehren. Sie hatte gehofft, Richard könnte an seinem neuen Aufenthaltsort etwas „Geist tanken“, wie sie wörtlich sagte, nun ist es damit nichts. Wenn ich mir das alles anhöre! Na ja, jeder hat seine Eigenheiten. Ich habe sie ja auch! Besonderes Neues wüßte ich nicht zu berichten, gottlob ist noch alles beim Alten. Gestern war ich mal bei Frau Perger, sie hat ihren Bruder, den Geistlichen, verloren. Nun wird es ihr auch schwer, den Karl-Heinz studieren zu lassen. Geld hat der Onkel nicht hinterlassen. So kommt es immer anders, als man denkt! Man kann nur auf Gott vertrauen! Also, Rudolf weiter nur das Beste und viele herzliche Grüße + Küsse
Deine
tr. Mutter.