Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 29. Oktober 1940

Berg.-Gladbach, 29.X.40.

Mein lieber Rudolf!

Gestern erhielt ich von Dir gleich zwei liebe Briefe, vom Sonntag, dem 20. + Dienstag dem 22.X. Hab‘ vielen Dank dafür. Also bist Du schon im neuen Quartier, und zwar über eine Woche. Ich möchte wünschen, Du kämest wieder in Dein altes Quartier zurück. Ich kann mir denken, daß es auch Dir leid tut! Wie gefällt Dir denn der neue Betrieb? Hast wohl mehr Arbeit? Sind noch mehrere Kameraden mit dort? Nun möchte ich einmal etwas fragen: Wie ist es mit Deiner Beförderung, oder bist Du etwa wieder Stiefkind gewesen? Schreibe mir doch mal darüber.

Die Hauptsache ist ja, daß Du gesund bist! Daß Du mir gesund + froh nach Hause zurückkehrst! Wann mag das sein? Schade, schade, daß es jetzt mit dem Urlaub nichts wird. Vielleicht, daß Du Weihnachten gerade hier wärest! Oder Neujahr. Ein Julfest in Norwegen wäre wohl auch ganz schön. Was sagte Gerd denn, als Du fort mußtest? Hoffentlich kommst Du wieder hin. Ja mein Junge, wir müssen stark sein. Wenn man nicht so festen Glauben + Gottvertrauen hätte, man würde doch manchmal verzagen! Arme Menschen, die so gar keinen Halt haben. Der Gedanke, daß alles Gottes Wille ist, und daß unser

Herrgott nur unser Bestes will, macht uns immer wieder stark + geduldig! Ja, es kommt auch mal wieder eine andere Zeit. Nun ist der Oktober bald vorbei, nein, wie die Zeit verfliegt. Es ist schon nicht mehr lange bis Weihnachten. Ich hätte nicht gedacht, daß man nun noch mals die Weihnachtspäckchen machen müßte. –

Hast Du inzwischen die Uhr bekommen? Ich denke doch, daß das Päckchen nachgeschickt wird. Auch das Kuchenpäckchen wird lange unterwegs sein. Soll ich Dir noch Obst schicken, oder hast Du lieber mal etwas Süßes? Sag es mir doch mal! Nun noch 14 Tage, dann muß man mit der Weihnachtsbäckerei beginnen. Viel wird es ja nicht werden. Kannst Du da im Lager auch etwas kaufen? Habt Ihr eine Kantine? –

Hier gibt es nichts Neues. Der Engländer kommt jetzt schon früh des Abends und des Nachts gewöhnlich nochmal. Ob es ihm nicht bald zu kalt wird? Letzt Nacht hatten wir den ersten Frost. Alle Blumen sind nun fast hin! Sonst, ich meine, in der Familie ist alles im Lot!

Nun empfange viele liebe Grüße + einen Kuß
von
Deiner
Dich l. Mutter.