Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 13. November 1940
Berg.-Gladbach, 13. Nov. 40.
Mein lieber Rudolf!
Nun muß ich heute nochmals an Dich schreiben, nachdem ich heute Nachmittag Deinen lieben Brief vom 8.11. erhielt. Ich danke Dir recht herzlich dafür. Natürlich freue ich mich darüber, wenn Du oft schreibst. Und wenn die Briefe noch so kurz sind, sie sind ja ein Zeichen des lieben Gedenkens. Über den Brief von heute früh bist Du vielleicht ein bischen ärgerlich, aber habe ich nicht recht! Wir müssen nun auch mal an uns denken. Ich werde ja auch nicht jünger, bin jetzt im 50.sten Jahr. Da schafft man nicht mehr wie mit 30. Und diese aufregende Zeit zählt doppelt! Eben wurden schon wieder Flieger gemeldet, jeden Abend sind sie da, früh oder spät. Letzte Nacht war es ordentlich kalt im Keller, bes., wenn man aus dem warmen Bett heraus muß. Es sind so viele Leute krank! Gestern war Fr. Plantz noch mal da, jeden Dienstag kommt sie. Frau Ermert geht jetzt noch mal 14 Tage fort, um Ruhe zu haben, wahrscheinlich im Allgäu. Im Sommer war sie 6 Wochen fort. Sie hat schreckliche Angst vor den Fliegern, spricht von nichts anderem. Auch T. Stina ist noch sehr ängstlich.
Nun rückt Weihnachten schon langsam heran, bald beginnt der Advent. Man kann sich garnicht
so recht freuen, wenn man bedenkt, Weihnachten mit Fliegeralarm. Und ob man es noch erlebt. Jede Nacht kostet Opfer. Nun, alles, wie Gott will. Man muß sich ganz in seine Hand geben.
Nun gute Nacht, mein Junge, wenn ich das noch mal in Wirklichkeit sagen kann.
Viele herzliche Grüße + Küsse
in Liebe
Deine Mutter.