Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 20. November 1940
Berg.-Gladbach, 20. Nov. 40.
Mein lieber Rudolf!
Heute bekam ich ein Päckchen zurück, daß ich an die andere Nummer geschickt hatte. Aepfel waren darin + Bonbons. Es ist ärgerlich, wenn man Euch eine Freude machen will und hat es gepackt + besorgt, und es kommt dann zurück. Ich werde es neu einpacken + Dir wieder zusenden. Wie geht es Dir. Hier ist es naß + kalt! Um 5 Uhr war es schon dunkel. Es ist ja lästig, des Abends aus der warmen Küche heraus zu gehen, und dann kommt man hier ins Kalte. Ich glaube, bald bleibe ich wieder zu Hause. Ich bin ja hier viel ruhiger und schlafe so gut + tief hier, wie lange nicht. Hoffentlich wird es bald kalt, dann sollen die Engländer ja nicht mehr kommen, dann würden sie vereisen. Unsere Luftwaffe arbeitet ja mächtig in England. Ob die Leute da nicht aufsässig gegen die Regierung werden? London kann doch bald nur eine Ruinenstadt sein. Aber ich glaube, die ergeben sich nicht! – Heute war Hanni noch mal bei mir. Sie haben ihre Wunschzettel geschrieben + sind nun voller Spannung. Ich erzählte ihr, der Schreibtisch wäre verschlossen, Christkind hätte schon etwas hineingelegt. Da war sie ganz aufgeregt! Es ist doch schön mit Kindern zusammen zu sein. Wenn ja die Flieger
nicht kämen, hielte ich sie ja zu Hause bei mir. Das viele Alleinsein + Grübeln macht mich kaput! Da ist die Abwechslung hier mit Gladbach gut. Jeden Abend freue ich mich darauf, obwohl es im Winter nicht angenehm sein wird. Hoffentlich ist es der letzte Kriegswinter?!!! –
Wie ist es bei Euch? Bleibe mir gesund + munter + halte den Kopf hoch! Für heute empfange viele herzliche Grüße + einen festen Kuß von
Deiner
Mutter.