Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 27. November 1940
Berg.-Gladbach, 27.11.40.
Mein lieber Junge!
Gestern erhielt ich 2 liebe Briefe von Dir, vom 18.11. und 20.11. Ich danke Dir recht, recht herzlich dafür, sie brachten mir gute Nachricht! Ich bin so froh, wenn ich höre, daß Du zufrieden bist. Es ist ja jetzt eine kritische Zeit, fast immer schlechtes Wetter, und so früh dunkel + immer so trübe. Dann kommen die Feiertage, und die Aussicht, daß dann auch die Flieger kommen. Dann muß manches entbehrt werden, das macht die Menschen mißmutig. Es ist gut, wenn wir schon mal 4 Wochen weiter sind, dann ist der Tiefpunkt überstanden. Ich hätte auch am liebsten, wenn Du nicht direkt zu den Feiertagen kommen kannst, daß Du dann erst im Januar kämst. Wenn Du jetzt Urlaub hättest, müßtest Du vor den Feiertagen wieder weg. Das ist dann zu hart. Aber, alles, wie unser Herrgott es will. Man kommt immer mehr zu der Einsicht, daß er den, den er erhalten will, auch schützt. Wir wollen uns mit all‘ unsern Sorgen und Ängsten ganz in seine Hand geben. Ja etwas hat man ja die große Angst verloren, man wird es tatsächlich langsam gewohnt. Besonders hier in Gladbach bin ich ruhig.
Da schlafe ich so gut. Zu Hause horche ich immer ob ich schießen höre u.s.w. Es ist ja schlimm, daß ich so ängstlich + nervös bin, viele haben ja nicht so Angst. Aber es ist es Erbteil von Oma, sie ist heute noch so aufgeregt! Auf die Dauer nimmt es die Menschen doch sehr mit. Gestern Abend waren die Engl. schon um 8 Uhr hier bis 10 ½ Uhr. Heute früh von 5 ½-7 ½ Uhr. Und heute Morgen haben sie ordentlich in unserer Kante gehaust. In Dellbr. fielen oben in der Nähe des Heidehofs 3 Bomben, 2 im Carlswerk u.s.w. Gottlob keine Menschenleben sind zu beklagen. Heute Morgen bei sternklarem Himmel war es ein herrliches Schauspiel die Scheinwerfer + Leuchtbomben. Von hier aus kann man das schön beobachten. –
Also, nun bringst Du fertige Pelze mit. Das ist auch das Richtigste! Tante Finchen wird wohl bestimmt einen nehmen, wer den zweiten bekommt, sehen wir mal. Das wird sich schon finden, wenn Du erst mal zu Hause bist. Wäre es sonst mal so weit! – Nun ist schon wieder Alarm, und schwer schießen sie wieder. –
Mein Junge wegen Deiner Beförderung wollen wir uns nicht allzu viele Sorge machen. Wie es kommt, so kommt es. Wenn man nur vor sich selbst bestehen kann, das ist die Hauptsache. Man darf nur nicht so viel rechts + links um sich sehen. Und alles hat im Leben seinen Wert, gute + böse Zeiten, an
allem soll man reifer werden. Das ganze Erdenleben ist nur ein Lernen. Manchmal ist man ja recht unzufrieden mit sich selber. Aber man muß auch auf Gottes Allwissenheit + Barmherzigkeit trauen. Wir sind ja schwache Menschen. Nun will ich aber Schluß machen, eben fielen wieder Bomben, es ist unheimlich, des Nachts, wenn es so dunkel ist! Empfange viele liebe + herzliche Grüße + einen lieben Kuß von
Deiner Mutter.
Nun möchte ich Gerd für Ihre lieben Grüße danken. Ich schicke ihr zu Weihnachten ein Päckchen und lege die Kölner Photos bei. Sag ihr und Familie Lindh meine besten Grüße. Ich will sehen, daß ich solch‘ einen Prospekt von Köln bekomme. Also, liebe Gerd, schönen Dank für Deine lieben Grüße und ich erwidere sie auf das herzlichste.
Anna Schmitz.