Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 1. Dezember 1940
1. Adventsonntag 1940.
Mein liebes Mütterlein!
Nun muß ich gleich soviele Briefe von Dir beantworten und Dir für Dein fleißiges Schreiben danken. Aus Deinen lieben Zeilen klingt trotz Angst und Sorgen Gottvertrauen, Mut und eine große Weihnachtsvorfreude. Gebe der Herrgott uns zum Friedensfest den ersehnten Weltfrieden! Ja, nun haben wir Advent, in ihrem Sehnen und kämpfen gleicht er unserem Zeitgeschehen. Aber wie die Weihnacht dem Advent folgt wird auch unser Sieg die Mühsalen des Krieges vergessen machen. Nur stark sein mein Mütterlein! Ich hatte mir Sorge um Deine Gesundheit gemacht. Jetzt aber bin ich ruhig, weil ich weiß, Du bist in ärztlicher Behandlung. Nimm nur fleißig u. regelmäßig die Medizin, besonders das Nervophyll. Es ist ein vorzügliches Heilmittel. Dir fehlen nur starke Nerven. Trotz aller Angst mußt Du Dich zwingen ruhig zu bleiben.
Viel und ruhig mußt Du schlafen.
Du, wenn ich auch immer schreibe, Du sollst Dir keine Unkosten machen, ich freue mich doch riesig auf mein Weihnachtsgeschenk. Nach Weihnachten werde ich es mir abholen.
Nun will ich Dir einmal etwas von hier erzählen. Seit einigen Tagen ist Tauwetter. Wenn der Fön auch noch so tobt, er kann die Schneemassen garnicht bezwingen. Auf den Straßen ist tolles Glatteis. Wir fallen nur einmal den ganzen Tag. Streuen tuen die Norweger nicht, weil sie sonst nicht Ski und Schlittenfahren können. Wir bereiten uns auf Weihnachten vor. Einen Adventskranz haben wir uns heute Morgen schon gemacht. Im Kamin knistern Birkenscheite. Heute Abend sitzen wir wieder um ihn herum und singen Heimatlieder, manchmal auch schon Weihnachtslieder. Wie gerne wäre ich Weihnachten bei Dir? Aber es kann nicht sein. Ich komme so bald wie möglich. Im Januar wird es wohl sein!
Du fragst mich was ein Jultree sei, - der Weihnachtsbaum, mein Mütterlein. Diesmal schmücke ich ihn in Norwegen. Ich bin gespannt auf Jul-sitten und Gebräuche. Gerd, glaube ich, strickt mir
Skihandschuhe. Sie tat ganz geheimnisvoll. Ich habe für sie, weil sie so gerne liest zwei schöne Bücher gekauft. Viktoria von Knut Hamsun und „Ewig singen die Wälder“ von Gulbranson. Ich glaube sie wird sich freuen. Dein Geschenk liegt im Koffer. Du, ich freu mich, wenn ich in Urlaub komme. Es freut mich, wenn meine beigelegten Bilder Freude bereiten. Jetzt im Winter ist Norwegen erst recht schön. Na Du kannst ja selbst urteilen. Gestern habe ich mir den zweiten Silberfuchs zurücklegen lassen. 225,00 Kr. Der erste wird wohl bald als fertiger Pelz von der Gerberei kommen. Du, ich mach‘ das schon richtig. Ich denke durch die Felle mein Urlaubsgeld zu bekommen. Und nun für heute Schluß.
Mit den besten Wünschen grüßt Dich
herzlichst Dein großer Junge.