Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 12. Dezember 1940
Berg.-Gladbach, 12. Dez. 40.
Mein lieber Rudolf!
Nun erhielt ich heute schon wieder einen lieben Brief von Dir, und es ist so, daß ich nun bald jeden Abend Dir erzählen muß, was der Tag gebracht hat, so, als ob ich es Dir persönlich des Abends erzählte. Aber, so Gott will, wird das ja bald sein. Ja, mein Junge, ich freue mich zu sehr. Dann kann ich auch abends in unserem Heim bleiben, und brauche nicht raus. Das heißt: voraussichtlich kommt Josef am Sonntag für 14 Tage in Urlaub, dann müssen Oma + ich in Dellbrück bleiben. Die ersten Abende werden wir ja Unruhe haben. Hoffentlich kommen die Engländer nicht gerade hlg. Abend + die Weihnachtstage zu schlimm. Dann stören sie uns bestimmt, wenn das Wetter es eben zuläßt! – Die Karte vom norwegischen Winter ist ja wunderbar. So viel Schnee!!! Also Dir gefällt es gut. Man hört oft, daß viele, die da oben sind, die Einsamkeit und das Dunkel nicht ertragen können. Aber so einsam wohnt Ihr wohl nicht. Nun wird die Reise auch beschwerlich sein, wenn Du kommst, in der Kälte. Packe Dich nur gut ein. Hoffentlich ist der Wechsel nicht nachteilig für Deine Gesundheit. Aber, hoffentlich geht alles gut. – Also Dein Nikolauspäckchen hat Dich erfreut. Das ist recht! Das soll es auch! Ich freue mich, daß Dir das Quartett gefällt. Das hilft Euch schon mal die Abende vertreiben. –
Am Dienstag erzählte mir Frau Plantz, daß Richard jetzt Obergefreiter sei, Gefr. sei er schon lange gewesen. Er geht nachmittags ins Geschäft. Konzerte + Oper u.s.w. besucht er nicht wegen des Alarms. Er hat um Arbeitsurlaub nachgesucht. Im großen + ganzen weiß er es
so einzurichten, daß er es aushalten kann, auch beim Militär. – Morgen schicke ich Dir ein Päckchen mit Aepfel, auch Tante Finchen. Bitte Rudolf, verteile nicht zu viel von den Sachen. Man hat zu sehr sparen müssen, um alles so gut zurechtmachen zu können, und Obst tut Dir gut, wo Ihr doch auch kein Gemüse bekommt. Gibt es bei Euch auch Lebertran? Im Kino sah ich, daß die Soldaten oben im Norden jeden Tag einen Löffel Lebertran bekommen wegen Vitaminmangel. So Gott will, backe ich Sonntag nochmal, das letzte Gebäck für Weihnachten. Man freut sich doch. Einen Weihnachtsbaum mache ich nicht, denn bis Du kommst, fällt er doch ab. – Nun noch eins. Rudolf, bist Du böse. Ich habe von Deinem Geld etwas gebraucht, weil ich ein größeres Teil angeschafft + gleich bezahlt habe. Ich spare es Dir aber wieder zu. Etwas habe ich Dir schon zurückgegeben. Diesen Monat kommt wohl nichts dazu, weil ich allerlei Auslagen hatte vor Weihnachten. Aber dann nach den Festtagen so Gott will, bekommst Du es auf den Pfennig wieder zurück. Ich wollte es Dir schon immer mal schreiben. Aber bitte, sei nicht böse.
So nun für heute genug. Halt, Kpl. Hoppe aus unserer Pfarre ist auch eingezogen nach Iserlohn, der 2te aus Dellbrück. Wird das denen komisch sein. Also nun Schluß. Empfange viele herzliche Grüße + einen treuen Kuß
Mutter.