Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 15. Dezember 1940
Köln-Dellbrück, 15. Dez. 40.
Mein lieber, lieber Junge!
Nun sitze ich zu Hause, und denke an Dich, mein Junge. Gestern Abend, als wir in Gladbach waren, kam Josef für 14 Tage in Urlaub. Heute früh sind wir dort weggegangen und nun bin ich wieder zu Hause. Einesteils freue ich mich, aber, ist es nicht komisch, eine leise Unruhe ist doch in mir. In Gladbach kenne ich das garnicht. Auch Oma ist unruhiger. Augenblicklich habe ich Johanna mit den beiden Ströppen hier. Sie schlafen hier, weil Johanna auch allein ist. Heinrich ist nach Freiburg. Du siehst, ich bin nicht allein, aber ich bin auch froh. Das ist für mich nichts. Josef hat Elli allerlei schöne Sachen mitgebracht. Es war gestern Abend so gemütlich da. Die Eltern waren da + Josefs Schwester, bei der Oma + ich geschlafen haben. Die alte Frau Fischer will uns ein Zimmer fertig machen, damit wir da schlafen können, wenn die Flieger zu arg herkommen. Hoffentlich wird’s nichts so arg. Heute war es bitterkalt, ich glaube, da können sie nicht kommen. Ich habe nun heute noch
etwas billigen Speculatius gebacken. Nun habe ich das Kleingebäck fertig. Hoffentlich schmeckt Dir das Deine, das war alles noch gut! Oder nicht? Ob Gerd das Päckchen gefällt? – Nun rückt das schöne Weihnachtsfest immer näher. Elli hat ihren Mann da, am 27. muß er wieder fort. Wir, d. h. Oma + ich gehen vielleicht zu Heinrich die Tage, oder ob wir noch mal umdisponieren müssen. Wärst Du nur da, dann könnte ich daheim bleiben. Da ist es ja immer am schönsten. Ich freue mich ja nun jetzt schon auf den Januar. Hoffentlich klappt das mit Deinem Urlaub. Aber dann machen wir es uns gemütlich. Und dann wird überlegt wegen der Wohnung. Wir sprechen ja dann alles durch. Hoffentlich kommt nun im Frühjahr die Abrechnung mit England, damit wir mit den Fliegern Ruhe bekommen. Ihr müßt dann sicher noch lange als Besatzung bleiben. Vielleicht wirst Du dann zum Studium beurlaubt! Ich bin mal gespannt, ob Richard Arbeitsurlaub bekommen hat, sonst müßte er
Freitag fort. – Ich lege eine Karte bei, die am Samstag für Dich ankam. Wer schickte die wohl? Anscheinend die Uni. Es sind schon viele Urlauber da.
Heute Montag früh, schreibe ich weiter. Ich war gestern Abend zu müde. Die Nacht war trotz der Kälte Alarm. Ein paarmal haben die geschossen. Ich bin aber garnicht aufgestanden. Nun muß ich aber schließen. Ich muß nähen. Also, hoffentlich höre ich nun bald mal wieder etwas von Dir.
Bis bald, mein Junge. Herzlichste Grüße + Küsse sendet Dir
Mutter.
Herzliche Grüße von Johanna + Liesel.
Hanni