Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 17. September 1941

Zu Hause, den 17. Sept. 41

Mein lieber Junge!

Gerade habe ich ein paar Blumen auf Deinen Schreibtisch vor Dein Bild gestellt! Heute muß ich noch mal besonders viel + voll Sehnsucht an Dich denken. Wie lange, lange wohl noch? Da will ich gleich ein bischen mit Dir plaudern, dann wird es mir vielleicht ein bischen leichter ums Herz. Heute früh erhielt ich Deinen so lieben Brief vom 6. Sept. für den ich Dir herzlich danke. Gott sei Dank, mein Junge, daß wir uns so gut verstehen. Ja, ich werde für Dich beten, so lange ich lebe. Es ist ja augenblicklich das einzige, was ich für Dich tun kann. Und das Gebet aus der Heimat möge Euch Kraft geben, alles zu ertragen. Wenn man ja hört, wie es den armen Jungen geht, die den Russen in die Hände fallen, das ist nicht mehr menschlich! Nach all den Strapazen + harten Kämpfen werden sie noch gemartert. Ja, wir müssen Gott danken für jeden Tag, den er uns in Gesundheit schenkt! –

Mit Freuden höre ich, daß Du schon besser aussiehst. Also bekommt Dir die Kost? Das ist recht, daß Du sonst vorsichtig bist! Sorge nur für gutes Schuhwerk, und dafür, daß Du Deine Sachen gut trocknest, wenn Du draußen im Dienst warst,

denn nach der langen Zeit im Lazarett bist Du noch etwas empfindlich! –

Du hast wohl jetzt eine ziemlich umfangreiche Korrespondenz? Warum sollst Du nicht mit Schwester Elisabeth schreiben? Mein Kind, Du mußt jetzt selbst wissen, was Du zu tun hast, und wie Du Dir Dein Leben gestaltest, so tust Du es. Meine Einstellung kennst Du ja. Handle so, daß Du vor Dir selbst bestehen kannst, daß Du innerlich ruhig bist, dann ist es schon richtig. Daß ich Dir an erster Stelle nur das Beste wünsche, ist doch sicher. – Also hast Du den Chef noch nicht gesprochen. Was sagt der Spieß dazu, daß Dein Gesuch noch nicht beantwortet war? –

Nun noch etwas Rudolf! Solltest Du vielleicht einmal Gelegenheit haben, Nüsse oder Mandeln zu kaufen, so denke bitte an mich, resp. an die Weihnachtsbäckerei. Es wäre ja möglich, daß es dort in der Stadt etwas gibt. Auch würde ich mir vom Christkind ein Paar gute, warme Handschuhe wünschen, Wolle oder Leder, Größe 7 ½. Natürlich ersetze ich Dir die Auslagen.

Nun noch ein Gruß aus unserm Vorgärtchen. Das wäre für heute genug. Bleibe gesund + froh und sei recht herzlich gegrüßt + geküsst von
Deiner
treuen Mutter.