Zu Hause, am 22. Nov. 1941

Mein lieber Junge!

Soeben, Samstag früh erhalte ich Deinen lieben Brief vom 15.11. Ich will ihn sofort beantworten. Ich bin so froh, daß es Dir gesundheitlich gut geht, und seelisch, mein Junge, wir leiden wohl Alle unter dem Gesetz des Krieges. Auch wir hier in der Heimat. Gewiß, man hat die Verwandten, aber ganz wird man doch nie verstanden. Es ist ja auch nicht so wie früher. Des Abends ist man bei der frühen Dunkelheit ans Haus gefesselt. Viel Abwechslung gibt es auch hier nicht. Ja, im vorigen Jahr, da hattet Ihr noch die Bekannten in G. Möge doch unser Herrgott geben, daß es der letzte Winter in Norwegen ist. Ihr habt noch gute Quartiere. Denk‘ mal an die Kameraden im Osten! Allerdings neben den vielen Strapazen ist ja auch das Vorwärtskommen, das Erleben, wenn auch unter Gefahren für einen Mann schön. Wer weiß, für Euch kommt bald vielleicht auch die Stunde des Handelns. Dann möge Gott mit Euch sein. Dann kommen für uns in der Heimat erst recht die Sorgen. Nun rückt der schöne Advent heran, die schöne, schöne Zeit. Auch ich denke an viele schöne trauliche Stunden trotz Sorge + Arbeit + an unsere schönen Festtage, die wir dann doppelt schön empfanden nach vieler Arbeit.

Ja, Rudolf, schöne Stunden haben wir gehabt. Und wenn wir ein neues Teil hatten, war es auch noch so klein, wir freuten uns wie Kinder. Ob das alles noch einmal kommt? Man kann es sich garnicht vorstellen, daß Ihr noch mal für immer zu Hause seid. Denk mal, schon über 2 Jahre bist Du fort, man sollte es nicht glauben. Hätten wir uns das gedacht? Aber alles, alles hilft nicht, wir müssen uns der harten Notwendigkeit beugen und wir wollen es mit gutem Mut + mit Gottvertrauen, dann ist es nicht ganz so schwer. Vergiß auch das Beten nicht, Rudolf. Also, halt den Kopf hoch, bald kommt der Urlaub, und so Gott will bleibst Du diesmal gesund + wir machen es uns so schön als möglich, ja, mein Junge? Ich hab Dich ja so lieb + ich bete viel für Dich, da muß es Dir auch gut gehen!

Viele liebe Grüße sende ich Dir + einen treuen Kuß
Mutter.