Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 29. November 1941
O.-U. den 29.XI.41
Meine liebe Mutter!
Heute bekam ich Deine lieben Briefe vom 20. und 22.XI. Vielmals danke ich Dir. Du versuchst mich zu trösten, waren meine Briefe denn so traurig? So schlimm ist es nun wieder nicht, wir können es hier noch immer aushalten. Gewiß wird man einmal das Einerlei des Dienstes satt, dann beneidet man die Kameraden im Osten. Die Entbehrungen würden wir genau so tragen wie sie. Die wissen doch warum sie Soldat sind. Ich mache nun hier doch schon im 5. Jahr Kasernenhofausbildung, das kann man leid werden. Aber es ist nichts zu machen, wir müssen aushalten.
Im Augenblick wird alles durch den Weihnachtsurlaub überstrahlt. Jetzt sieht man die Schattenseiten nicht mehr. Man lebt ganz in der Vorfreude.
Hier ist jetzt genau wie in der Heimat der dunkelste Monat. Vor 10.30 Uhr wird es nicht hell, und um 16.30 Uhr wird es Abend. Die Tage sind kurz, die Abende verbringe ich mit Schreiben, Lesen und Studium der
Anatomie. Den Atlas werde ich mir im Urlaub ja selbst besorgen können.
Ich wäre Dir sehr dankbar wenn Du die Angelegenheit mit der arischen Abstammung in Angriff nehmen würdest.
Liebes Mütterlein, ich an Deiner Stelle würde etwas geduldig sein, wenn auch die Arbeit jetzt nicht so flüssig geht, der Krieg geht doch zu Ende. Wenn ich wieder zu Hause bin ist es für Dich doch die Günstigste. Ich weiß nicht ob ein Posten bei der Wehrmacht das Richtige ist, zudem ist mir nicht klar welche Arbeit Du dort machen wolltest.
Bin ich wieder zu Hause, kann ich neben dem Studium, welches ich doch bestimmt gebührenfrei bekomme, etwas verdienen. Dann wird auch die Arbeit bei Severin u. Co. steigen, weil dann ja der Bedarf auch größer werden wird. Es wird schon klappen!
Wie sieht es mit einer Wohnung in Gladbach aus? Bist Du noch zu Hause? Ist Elli’s Josef in Urlaub? Bestelle doch der Familie Fischer viele Grüße!
Wir werden uns im Urlaub schöne, gemütliche Abende machen. Hoffentlich kommt meine Beförderung noch vor Urlaubsantritt heraus. Der Chef meinte heute ich sollte mir schon mal Schulterstücke besorgen.
Fein wäre es ja, wenn ich befördert wäre. Junge, würde dann angegeben! Und doch – lieber nicht, wir haben es ja eigentlich nicht verdient.
Wie sieht es sonst in Dellbrück aus? In der Umbachstraße und Hünenstraße sind die Bombenschäden? Ich kann mir vorstellen, daß die Bevölkerung ziemlich gedrückt ist. Was macht der kleine Fritz? Ich werde mich selbst von seinen Fähigkeiten, Laufen – Sprechen usw. überzeugen. Was soll ich für Tante Stina und Oma mitbringen? Die Auswahl ist ja hier auch nicht groß, ich muß einmal sehen. Vielleicht finde ich auch etwas für Hanni und Liesel.
Stimmt das, hier wurde erzählt, daß die Geschäfte keine Waren mehr zurückhalten dürfen, es muß verkauft werden?
Die Kameraden sind ausgegangen, ich mache mir ein gemütliches Wochenende. Ich habe allerlei Weihnachtspost zu erledigen.
Viele liebe Grüße und einen frohen Kuß
sendet Dir
Dein großer Junge.