Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 26. Februar 1942
Köln-Dellbrück, 26.2.42.
Mein lieber Rudolf!
Heute hatte ich bestimmt einen Gruß von Dir erwartet, aber nichts ist gekommen. Die Post kommt wieder schlecht. Na, ich bin geduldig + warte. Du bist doch gesund, wie ich hoffe? Oder gibt es sonstige Neuigkeiten, Versetzung oder sonst etwas? –
Hier ist Tauwetter, ein Schmutz, unbeschreiblich! Fast 2 Monate lag der Schnee. Heute ist die Luft mild. Meine Meischen vor meinem Fenster beginnen zu zwitschern. Auch sie spüren das Nahen des Frühlings. Gottlob sind wir gut durch den Winter gekommen. Auch gesundheitlich bin ich zufrieden. Die große Wunde oben
schmerzt noch ziemlich, aber langsam beginnt der Heilungsprozeß. Nun noch einmal zum Ziehen, dann ist das Schlimmste überstanden. Bin ich froh! Nur das Essen wird dann schwierig. Man bekommt ja keine Milch für Suppe. 6-8 Wochen muß ich erst warten, bis mit dem Ersatz begonnen wird + dann dauert es bestimmt nochmal so lange, bis alles klappt. Man sollte ja eher Rat tun, ich kann Dir nur den Rat geben, sobald Du etwas an den Zähnen hast, lasse es machen! Nachher ist es zu spät! Nun noch 2 Tage, dann ist der März da. Wir haben wohl noch nie so auf den Frühling gewartet. Was wird er uns alles bringen? Der Führer hat uns ja guten Mut gemacht, und wir stehen ja auch so
da, daß wir zu den besten Hoffnungen berechtigt sind. Nur, daß so viele noch ihr junges Leben opfern müssen, ist das Furchtbare daran. Botschafter v. Papen hat ja wirklich Glück gehabt. Überall steckt doch der Engländer.
Man wagt ja auch garnicht an spätere, schönere Zeiten zu denken. Möge unser Gott im Himmel es uns erleben lassen. Heute ist Elli in Gladbach, ich bin allein. Gut, daß die Abende nicht mehr so lang sind. Sobald mein Mund heil ist, und die Nässe + Kälte etwas vorbei, werde ich des Abends wieder einen kleinen Gang machen. Ich bin jetzt sehr wenig herausgekommen. Hoffentlich haben wir einen schönen Sommer mit viel Sonne! Ja, Du denkst auch, so kleine Sorgen hat die Mutter um ihr bischen Leben, wo doch
so Großes geschieht in der Welt. Aber wir alleinstehenden Frauen erleben ja nichts Großes im Alltag. Ja, wie schön wäre das, wenn Du des Abends kämst, und berichtest mir über Dein Tagwerk, sprächst von Deinen Plänen + Arbeiten. Möge unser Herrgott uns diese Zeit noch einmal schenken! Und nun mein Junge Gott befohlen!
Ich sende Dir viele Grüße + einen Kuß
Deine alte Mutter.