Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 30. März 1942

Köln-Dellbrück, 30. März 42

Mein guter Junge!

Bitte entschuldige, daß ich heute erst schreibe + für Deine beiden, lieben Briefe vom 15. + 18.III. die ich am Samstag erhielt, danke! Ich bin mit Oma + Hanni gestern, Sonntag früh nach Gladbach gefahren, + kam um 8 ½ Uhr zurück, da kam Agnes Böhner + blieb bis 10 ½. Da war ich zu müde zum Schreiben, weil wir des Nachmittags tüchtig gelaufen waren. – Also für Deine so ausführlichen Briefe vielen Dank. Du schickst mir ja gute Nachrichten über Dein Befinden, das ist das Wichtigste. Gottlob, daß Du noch keine Beschwerden gehabt hast. Ich bin froh, daß auch bei Euch die Kälte nun bald vorüber ist. Die Sonne tut Euch gut, nutzt sie gut aus, so viel es geht! Also viel Dienst hast Du jetzt? Es ist recht, daß Du den Sonntag zum Ausspannen benutzt! Nun werde ich in den nächsten Tagen Deine Wünsche befriedigen. So Gott will fahre ich morgen früh nach Gladbach zum Rathaus betr. der arischen Abstammung. Hoffentlich klappt die Sache jetzt! Sobald ich den Schein habe, schicke ich ihn. Die Geburtsdaten vom Vater + mir wie folgt:
„Vater geb. 9. Aug. 1875
„Mutter geb. 25. Aug. 1891. Ich habe den ganzen Schreibtisch durchsucht, die Urkunden von Vater sind nicht da. Hast Du sie nicht dort? Ich habe

vor längerer Zeit schon darnach gesucht. Ich meine, Du hättest sie mitgenommen. Sieh‘ einmal nach + gib mir Nachricht! – Diesem Brief lege ich Taschentuch Nr. 3 bei. Nun zu Deinen andern Fragen. 1. betr. Arbeit. Ich nähe wieder Leibbinden, schlechter Verdienst! Aber, so Gott will, wird es auch wieder einmal besser, wenn wir diese Zeit gesund überstehen. So leicht bringt mich nichts mehr aus der Ruhe, außer dem Engländer. Und auch da kann nur unser Herrgott uns schützten. Das tägliche Gebet gibt uns Kraft + Stärke, vieles zu ertragen. Und man hat für so viele zu beten. Und zu Hause in unserm Heim bin ich am liebsten. Ich habe schon den Hausputz fast fertig, alles blinkt schon für Ostern. Möchten wir das Fest in Gesundheit erleben. Ich werde viel an Dich denken. Auf das versprochene Bild von Dir freue ich mich, da kann ich Dich so recht mal sehen. Die kleinen Photos sind ja schön, Dich sehe ich aber zu schlecht! Mit einem Bild von mir mußt Du noch warten, bis ich meine Zähne in Ordnung habe, und das dauert noch etwas. So bin ich doch etwas fremd! – Wie ich Dir schrieb, habe ich bis jetzt nur ein Päckchen von Dir bekommen.

Für die Grüße von Gerd + ihrer Mutter danke ich Dir. Bitte grüße sie recht herzlich wieder. Ich freue mich, daß Du noch eine schöne Akten-

tasche bekommen hast. Es ist recht, wenn Du Dir etwas anschaffst. Auch Wäsche + Strümpfe, wenn Du kannst. Hier ist kaum etwas zu bekommen. Kleiderkarte habe ich noch nicht! –

Hast Du von Heinrich Nachricht. Er ist am 29.2. verwundet worden, Granatsplitter im Oberschenkel. Es scheint nicht schlimm gewesen zu sein, er ist wieder bei der Arbeit, nicht mehr vorn. Oma + Johanna sind beruhigt. Heinr. hatte erst nichts davon geschrieben. Er ist auch gefasster. Heimweh nach den Kindern scheint er doch zu haben. Hanni hat ihm schon ein paarmal geschrieben. Sie kann es sehr schön. Sie lernt gut, ist nur zu unruhig. Liesel wird ruhiger. Johanna ist nach Menden zur Konfirmation. Heute fuhr Fr. Ermert nach Kreuznach zur Kur. Ich habe ihre Blumen vom Namenstag hier. Da habe ich Zimmerschmuck für Ostern.

Sonst gibt es hier nichts Neues. Berta ist natürlich enttäuscht, aber was nicht geht, geht nicht. Der kl. Fritz ist ein Lümmel. Im Garten ist noch alles weit zurück. Du hast sicher davon gehört, daß die Fleisch + Brotrationen etwas gekürzt sind. Aber ich denke, wir werden doch satt werden. Auch da wird es mal anders werden. Möge Gott uns eine gute Ernte geben. Nun schließe ich mein guter. Alles Gute wünsche ich Dir und sende Dir recht herzlichen Gruß + Kuß
Mutter.