Anna Schmitz an ihren Sohn Rudolf, 5. Juli 1943
Köln-Dellbrück, 5. Juli 43
Mein lieber Rudolf!
Heute erst komme ich zum Schreiben nach dieser so schlimmen Nacht. Gestern war ich, wie alle, ja aufgeregt. Denn gestern war Dellbrück voll von Flüchtlingen + Fliegergeschädigten. Der Angriff galt hauptsächlich dem rechtsrheinischen Köln, Kalk, Mülheim. Bis Wichheim fielen die Bomben. Hier sind einige Phosphor-Kanister gefallen. Nein, das nimmt Ausmaße an, das ist entsetzlich. Wir haben alle Zimmer zur Verfügung gestellt. Aber die meisten wollen weiter fort. Man sah Bilder gestern, wie die Leute kamen, verstört, verletzt, schmutzig, nur fort. Im Wald haben sie übernachtet. Die ganze Schule ist belegt mit Verletzten. Viele Leute haben Verwandte + Bekannte da. T. Marie hat ihren Scheng mit Familie da, der alles verloren hat. Auch der Will in Köln ist total geschädigt. Heute wird Emma, Peter Stocksiefens Frau beerdigt. Gestern Abend war eine Herz-Jesu-Sühneandacht in der Kirche. Alles brechend voll. Sehr ernst + passend für den Tag die Predigt. Man hat zu nichts mehr Lust. Wenn man das Elend sieht + hört, was sich da abspielt in den Nächten! Eine Stunde dauerte der Angriff ununterbrochen. Wahnsinniges Schießen, Krachen der Bomben, Fallen von tausenden von Brandbomben, das Brummen der Flugzeuge alles zusammen hört + sieht sich an wie das Weltende. Man ist froh + unserm Herrgott dankbar, wenn man nur das Leben hat. Möge er doch diese Prüfungszeit für uns abkürzen. Ob heute die Post wieder geht? Geht es Dir gut?
Schreibe bald. Es grüßt + küsst Dich in herzlicher Liebe
Deine
Dich l. Mutter.