Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 25. September 1943
Guben, den 25.9.43
Mein liebes Mütterlein!
Heute vor genau 8 Tagen saß ich im Fronturlauberzug Utrecht – Köln und war versunken im Anblick der Domtürme unserer Heimatstadt. Es wird mir jedesmal warm um’s Herz wenn ich nach längerer Abwesenheit dies Zeichen frommen Bürgerfleißes sehe. Ich war in freudiger Spannung Dein Gesicht zu sehen, wenn ich so unerwartet vor Dir stände. Ich bin dann gleich nach Gladbach gefahren um Dich zu holen, als ich Dich zu Hause nicht antraf. Und dann verlebte ich einige schöne Stunden, einen frohen Sonntag daheim. Ich danke Dir nochmals für all das Gute, für Deine Sorge und Arbeit, die Du Dir meinethalber gemacht hast.
Heute sitze ich nach dem Dienst in meiner kleinen, wohnlichen Stube, die untergehende Sonne, die nach kurzer Gewitterschauer klarer scheint, lacht zu mir herein, ich will mit Dir plaudern, weil ich neben der Lust dazu auch Zeit habe. Ich habe O.v.B. bis Montag um 6.00 Uhr.
Eingelebt habe ich mich nun schon. Der Dienst läuft. Ich bin mit der Führung des 1. Rekrutenzuges beauftragt worden. 68 junge Menschen (Jahrgang 26) sind mir anvertraut, junge Leute, denen die Begeisterung aus den Augen leuchtet, die mächtig auf Draht sind und stolz sind bei der Division G.D. zu sein. Gestern sind sie vereidigt worden. Es war eine soldatisch schlichte aber ergreifende Feier. Mir macht meine neue Tätigkeit Spaß, ich kann aber auch jetzt schon feststellen, daß ich als Adjutant beim alten Haufen allerlei gelernt habe. Ich muß meinem
Kommandeur, wenn er mich auch reichlich mit Arbeit bedachte, dankbar sein, daß ich in mancherlei Einblick bekommen habe. Wenn ich ehrlich sein soll vermisse ich Ali’s Gesellschaft. Ich hatte mich schon sehr an sie gewöhnt und nun bin ich gespannt auf ihren ersten Brief. Ich wünschte, Du hättest Gelegenheit sie einmal kennen zu lernen. Sie ist ein feiner Kerl, ergänzt mich vollkommen. Ich könnte sie mir als meinen Lebenskamerad vorstellen. Schade, daß sie kein deutsches Mädel ist!
Liebe Mutter, wie geht es Dir, hoffentlich bist Du gesund und zufrieden. Ich wünsche Dir einen recht frohen Sonntag. Willst Du mit der Aufnahme der Arbeit noch nicht ein wenig warten? Besteht denn gar keine Möglichkeit einen anderen Posten zu bekommen, eine Arbeit, die Dir besser liegt und Dich mehr befriedigt als diese auf die Dauer stumpfe Tätigkeit? Ich werde hier mal Umschau halten, ob ich keine Beziehungen anknüpfen kann. Das Schönste wäre zweifellos, wenn ich Dir Dein jetziges Leben ermöglichen könnte, wenn ich soviel verdienen würde, daß Du auch noch Geld für Bekleidung und weitere Einkäufe übrig hättest.
Ich erhielt heute Deinen lieben Brief vom 16.9., er wurde mir von Holland nachgeschickt. Vielen Dank für Deine lieben Worte! Habt Ihr jetzt aus Dresden Nachricht? Hoffentlich ist Hanni bald wieder gesund! Morgen werde ich an Heinrich schreiben. Ich kann jetzt endlich alle meine Briefschulden erledigen. Jetzt will ich für heute schließen, glaube auch genug geschrieben zu haben! Herzlichst grüße ich Dich und
gebe Dir einen festen Kuß.
Dein Junge.