Rudolf Schmitz an Mutter Anna, 18. September 1945
Lüdenscheid, den 18.9.45
Meine liebe Mutter!
Nun will ich wiederum einem Kameraden einen Gruß mitgeben und hoffe, daß diese Zeilen nun endlich in Deine lieben Hände kommen. Ich habe bereits Alles versucht um mit Dir in Verbindung zu treten, bin aber ohne Nachricht von Dir. Deinen Aufenthaltsort habe ich durch die Tanten Finchen und Klärchen erfahren, beide haben mich hier in Lüdenscheid besucht. Somit weiß ich nun auch wie es zu Hause aussicht. – Liebes Mütterlein, wie geht es Dir? Du tust mir ja so leid! Liegst Du noch krank im Massenquartier in der Schule? Wann denkst Du nach Hause zu kommen und bestehen Möglichkeiten? Täglich kommen hier Frauen und ganze Familien von drüben an, Anneliese ist ja auch gut rübergekommen.
Ich kann Dir nur raten, faß Dir ein Herz und komme bald, wir warten alle!
Ich bin seit dem 7.8. in Lüdenscheid. Wir liegen in einer neuen Kaserne, haben in herrlicher Landschaft gute Pflege und Kost. Als wir Anfang August hier ankamen haben wir Augen gemacht über die um Vieles bessere Verpflegung.
Überhaupt läßt es sich bei den Tommys gut leben. Von Besatzung spürt man wenig. Nun will ich kurz erzählen wie es mir nach Erhalt meines letzten Briefes im Januar, den Du wohl im selben Monat noch erhalten hast, ergangen ist. Die Ostpreußen Schlacht, Kesselkämpfe und Gefechte in Sennland und Pillau hatte ich gut überstanden, als ich am 25.4.45 noch auf der frischen Nehrung
durch Steckschuß im linken Unterschenkel, (wie sich später herausstellte im Schienbein) verwundet wurde. Nach einem Durchbruch durch gelandete Feindinfantrie kamen wir noch einmal hinter eigene Linien und mir gelang es noch ein Schiff nach Dänemark zu erwischen. Die Überfahrt ging merkwürdigerweise glatt. So kam ich nach Aarhus wurde dort 2 x operiert und in leidlichem Zustand bei Auflösung des Lazaretts nach hier. Nun bin ich hier nochmals operiert worden und liege nach dieser [..] schon wieder 39 Tage. Ich bin seit 4.5. noch nicht wieder auf den Beiden gewesen. Nun geht es mir jetzt wesentlich besser die Eiterung läßt allmählich nach, und wenn die Heilung so weiter geht rechne ich mit Entlassung Ende Oktober.
Wir haben Glück beim Unglück gehabt. Die Wohnung ist heil, allerdings von Kaisers und einem jungen Ehepaar bewohnt. Jedoch werden Kaisers nach Erscheinen eines Mitgliedes der Familie Schmitz abrücken. Mit 2 Zimmern können wir rechnen. Wie wird es nun mit meinem Studium. Ich bleibe jetzt selbstverständlich bei der Pharmazie und denke zum Sommersemester wahrscheinlich in Bonn zu beginnen. Bis dahin hoffe ich arbeiten zu können. Ich erwarte Nachricht von Nottbrocks. Was fehlt also noch, nur das Mütterlein! Laß die Klamotten wo sie sind und komm‘ nach Hause. Nun für heute Schlus!
Mit Gruß und Kuß
bin ich
Dein großer Junge.
Meine Anschrift: Oblt. R. Schmitz, Kriegsgefangenenlazarett 21 Lüdenscheid-Hellersen, Stabsgebäude Zi. 23.